Auch meine Kinder haben oftmals gebrauchte Kleidung getragen, genauso wie das bei uns war, als wir Kinder / Jugendliche waren. Die Klamotten wurden innerhalb der Familie weitergegeben aber auch im Freundeskreis und / oder der Nachbarschaft. Ich kann da auch nichts bei finden, ganz im Gegenteil: Das ist völlig normal.
Und das (andere) Kinder dann auch mal lästern, hänseln oder von mir aus auch gretheln, auch das ist völlig normal, war schon immer so und wird auch immer so bleiben.
Umso mehr staune ich, wenn ich mich in jüngerer Zeit so umhöre und den Eindruck gewinne, als würde Kindern, die gebrauchte oder gar geflickte Klammoten tragen ein unerhörtes Leids getan. Was müssen die armen "Dinger" leidern, die kriegen ja gleiche einen Schock für`s Leben!!!
Ich glaube, wir jammern manchmal auf ziemlich hohem Niveau und sollten mal wieder die Füße auf den Boden kriegen!
Wie weit der Realitätsverlust offenbar bereits vorangeschritten ist, habe ich heute Abend in einem Artikel bei mopo.de gelesen. Es ging natürlich um die anhängige Klage beim BVerfG und dort wird in einem Absatz über den Kläger berichtet und dieser zitiert:
Kläger Thomas Kallay sah das anders. Der Vater einer schulpflichtigen Tochter trat in Pullover und Arbeitsjacke vor die Verfassungsrichter: "Wovon soll ich denn die Raten für einen Anzug bezahlen?" Die zusammen 700 Euro im Monat für seine Familie reichten nicht mal für ein neues Hemd mit Krawatte.
Quelle und vollständiger Artikel:
mopo.deDa behauptet er doch glatt, dass er nur 700 Euro für sich und seine Familie bekäme.
Das ist ja nur die eine Hälfte der Wahrheit. Und wie war dieser gute alte Spruch?: Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge!
Er mag in der Tat runde 700 Euro für den Lebensunterhalt bekommen. Aber er bekommt dazu noch Miete und Heizkostenzuschuss und Krankenversicherung und den Mindestbeitrag zur Rentenversicherung und die GEZ - Gebühr und ich weiß nicht, was noch alles.
Jeder, der arbeitet, muss das alles von seinem Einkommen selbst bezahlen. Und darum muss es auch zum Haushaltseinkommen des Herrn Klägers hinzugerechnet werden! Dann dürfte sich die Zahl "700" geschätzt schlicht verdoppeln.
Und wer mag, darf jetzt ausrechen, was Herr Kalley brutto verdienen müsste, um auf ein entsprechendes Nettogehalt zu kommen. (Steuerklasse 3, ein Kind)
Ich weiß, dass H4 nicht reicht, um Reichtümer anzuhäufen. Und das soll es auch nicht! Aber menschenwürdig leben, kann man davon in Deutschland allemal.
Übrigens: Gestern in einem Bericht (evtl dem gleichen, den Slarti gesehen hat) wurde mitleidheischend die "arme" Familie gezeigt, wie sie "nur" Kartoffeln mit Kohlrabi zum Mittag hat.
Und?
Wo ist das Problem?
Ich arbeite verdamt hart, bekomme jeden morgen meinen Arsch um 5.30 Uhr aus dem Bett. Aber auch bei uns gibt's nicht jeden Tag Steak mit Kaviar an Mangrovensauce garniert mit Otternohrläppchen.
Dass das Leben der gezeigten Mutter mit ihren Kindern sicherlich nicht leicht ist, dafür habe ich jedes Verständnis. Ich war selbst einige Jahre alleinerziehender Papa und kann erahnen, wie schwer es die Frau mit ihren Kindern hat.
Aber welch' Anspruchshaltung steckt dahinter, dass ein ganz normals Mittagessen, welches in hunderttausenden, in Millionen von Familien der werktätigen Bevölkerung völlig normal und alltäglich ist, für jene, die nicht arbeiten (aus welchen Gründen auch immer) nicht mehr als ausreichend angesehen wird!
Das ist wirklich Jammern auf verdammt hohen Niveau!
Deutlich realistischer, wenn auch in einer sehr zynischen und arroganten Art und Weise, war da ein H4-Empfänger, mit dem ich die vergangenen drei Tage zu tun hatte. Der rechnete mit gnadelos und kalt vor, was er an Leistungen alles bekommt. Und er hat tasächlich alles mitgerechnet (naja zumindest fast alles). Dann hat er noch seinen 1-€-Job hinzugerechnet, kam auf über € 900,--, die er ausgezahlt bekäme, teilte das durch die ca. 120,- Stunden, die er in seinem 1-€-Job pro Monat arbeitet und kam so auf netto über 7,50 Euro die Stunde.
Und fragt: Und warum sollte ich arbeiten gehen?
Noch ein Wort zu Capitano:
Von Zwangsarbeit etc hat hier niemand gesprochen. Auch wenn ich durchaus eine moralische Pflicht zur Arbeit empfinde.
Sachbezug hingegen halte ich in etlichen Fällen durchaus für sinnvoll. Ich weiß (zu!) viele H4-Empfänger, die mit dem Barem, welches sie bekommen, nicht umgehen können und das Geld, welches für ihre Kinder gedacht ist, dann lieber in Zigaretten oder Alkohol umsetzen oder es in 'nen Daddelautomaten stecken.
Und verallgemeinert hat hier glaube ich auch niemand.
Die einzige Verallgemeinerung, welche mir auf Schritt und Tritt in dieser unseren Gesellschaft und ihrer öffentlichen Diskussion begegnet, ist die völlig unbegründete Annahme, dass alle H4-Empfänger am Hungertuche nagen, nicht menschenwürdig leben könnten und viel lieber arbeiten würden.
Das Gegenteil ist der Fall!