Ende Oktober werde ich unter dem programatischen Titel "Die geschenkte Zeit" im Kulturhof einen Überblick über die zurückliegenden zehn Jahre ausstellen. "Zurückliegend" ist in diesem Zusammenhang ein wunderbares Wort, denn dass sie noch vor mir liegen würden, konnte vor zehn Jahren niemand ahnen. Und sehr viel Hoffnung machte mir damals auch leider niemand.
Ich baute gerade meine Ausstellung an genau dem gleichen Ort auf, als sich ein etwa wachtelei-grosser Knubbel an der linken Halsseite in mein Leben zwängte. Am Tage der Vernissage hatte ich den Befund "Raumforderung" bereits in der Tasche. Der nachfolgende Höllenritt zwischen Operationen, Chemo und Bestrahlungen veránderte mich. Es soll keine der notwendigen Selbstdarstellungen sein, viel eher ein mutmachendes Signal an andere Krebsbetroffene. Deshalb habe ich mir auch einige mutmachende Marginalien einfallen lassen, die ich kurz erläutern möchte.
Das erste Bild, welches nach besagter Vernissage im Kulturhof verkauft wurde, nannte sich "Himmel voller Geigen". Sein neuer Besitzer, einer meiner Freimaurer-Brüder, starb leider inzwischen - fast hätte ich geschrieben "ebenfalls" an Krebs.
In diesem Jahr greife ich deshalb in mehrfacher Hinsicht "sinn-voll" dieses Sujet abermals auf.Das ist nicht weiter schwierig, denn das Motiv hängt unten bei Zanners an der Decke. Parallel zur Ausstellung im Kulturhof soll es im Foyer des Theaters gezeigt werden. Nur Eines ist dabei eklatant anders: Ich male es grösser und kraftvoller und "selbstbewusster".
Dieses letzte Wort lasse ich mir auf der Zunge oder auf dem, was davon noch übrig blieb, zergehen, denn genau die Randumstände dieser Worte "selbst" - und "bewusst" haben sich geändert. Ich bin dankbarer und kämpferischer durch mein "Über - Leben" geworden und ich reiche diese Grundeinstellungen meiner Existenz weiter. Auf diese Weise ist also der Krebs zu einem bestimmenden Faktor in meinem Leben geworden, wie er es wohl im Leben jedes oder jeder Betroffenen wird. Nur halt ein wenig kurioser und kreativer.
Mein Atelierumfeld hat sich fast unmerklich, sehr leise schleichend verändert. Hin und wieder zirpend und unaufdringlich raschelnd. Lebensformen, die einen deutlich überschaubareren Lebenszyklus vollziehen, stehen in bizarrer Schönheit in vielen kleinen Terrarien neben meinen Staffeleien. Die meisten von ihnen leben kaum länger als ein Jahr. In dieser Spanne sind sie selbstzufrieden und erfüllen ihren genetischen Auftrag. Einige legen sich erst dann auf die Seite, wenn sie von genügend Nachkommen umwimmelt werden.
Unsere eigene Erwartung an eine Laufzeitverlängerung kommt mir im Vergleich selbstsüchtig vor. Um das zu relativieren hat sich in mein religiöses Weltbild viel Buddhistisches geschlichen. Die Vorstellung von einem "Grossen Baumeister aller Welten", wie ich ihn mir im Rahmen freimaurerischer Tempelarbeiten selbst ausmalen darf, entspricht diesem Erkenntnisweg..... und meine bizarren Insekten machen ihn für mich darstellbar.