Zunächst freue ich mich über einen neuen Mitdiskutanten in dieser Runde, denn ich finde es gut, wenn sich hier mal mehr Leute zu Wort melden. Dann kommt auch ein besseres Meinungsbild zustande.
Ich muss mich für ein eventuelles Missverständnis entschuldigen. Niemand wirft der Polizei Willkür vor. Der Richtervorbehalt dient einfach dazu einer solchen vorzubeugen, denn auszuschließen ist so etwas nie. Und gerade bei der Arbeit der Polizei muss ein starker und umfassender Schutz der in Art. 1-19 des Grundgesetzes gewährleistet sein und ohne Richtervorbehalt hebelt man diesen Schutz ohne Not aus. Dass dieser Schutz nicht immer einfach zu erreichen ist, bestreitet auch keiner, aber er muss unter allen Umständen in der genannten Maßgabe erreicht werden, auch wenn das zu Komplikationen führt.
Aber gehen wir doch mal in die konkreten Normen. Zu nenen wären zum einen
§ 81a StPO für die Blutentnahme selbst und die außer Acht zu lassende Norm über die Gefahr in Verzug,
§ 105 StPO, die hier - so wie ich das sehe und lese - entsprechend angewendet werden kann.
§ 81a StPO verlangt in Absatz zwei eine richterliche Anordnung für die Entnahme von Blut und zwar grundsätzlich zwingend. Die Anordnung muss in ihrem Inhalt die vorzunehmende Maßnahme (Blutprobe), die festzstellende Tatsache (Ob der Autofahrer entsprechende Promillewerte hat oder nicht) und bei schwerwiegenden Maßnahmen auch Angaben über deren Verhältnismäßigkeit enthalten. Die Anordnung muss audrücklich sein und kann auch mündlich erfolgen, d.h. die Polizisten können den zuständigen Richter auch anrufen.
Es ist aber auch möglich Gefahr in Verzug anzunehmen und somit die richterliche Abordnung wegzulassen. Verwiesen sei nochmals auf § 105 StPO. Diese erfolgt dann durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen, die Polizei. Das muss aber immer die Ausnahme sein und ist nur in engen Grenzen möglich. Es muss immer zunächst versucht werden an die richterliche Anordnung zu kommen. Erst wenn es durch eine zeitliche Verzögerung zu einem Beweisverlust kommen sollte, ist überhaupt Gefahr in Verzug möglich. Ob die Anordnung durch die Polizei nun konkret möglich ist, muss sich aus folgenden Erwägungen und Vorgaben ergeben: Sie muss sich aus "einzelfallbezogenen Tatsachen" ergeben und darf nicht rein auf kriminalistischer Alltagserfahrung beruhen. Zudem muss es eine Kontaktaufnahme zum zuständigen Gericht versucht worden sein. Ein telefonischer Anruf reicht, wie bereits gesagt, aus. Damit diese Form der Kontaktaufnahme überhaupt möglich ist, muss das Gericht einen Bereitschaftsdienst eingerichtet haben. Und auch in Alltagsfällen muss die Regelzuständigkeit des Richters gewahrt sein und darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass es nun Sonntag morgens zwei Uhr ist. Wenn der Richter nun aber meint, dass er ohne Akteneinsicht nicht entscheiden kann, auch nicht mündlich, greift die Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft, sofern der Verlust des Beweises droht. Ein solches Nichtentscheiden des Richters ist bei einer Blutentnahme und bei detailierter Beschreibung des Sachverhaltes aber nur in den allerseltensten Fällen anzunehmen.
Was folgt also daraus? Der Vorschlag ist für die Tonne, denn es gibt bereits eindeutige Regelungen, welche zwar sehr eng gefasst sind, die es der Polizei aber ermöglichen ohne richterliche Anordnung eine Blutprobe zu entnehmen. Und das ohne die Preisgabe von empfindlichen Grundrechten, so wie es der niedersächsische Justizminister will. Für einen funktionierenden Bereitschaftsdienst des zuständigen Gerichtes muss der Richter auch nicht mal sein Haus verlassen. Das ließe sich auch von zuhause machen. Der Wochenendurlaub ist dann vielleicht einmal im Monat gestrichen, aber das gibt es in anderen Berufen auch. Mich stört vor allem die Grundthese des Vorschlags: Starke Grundrechte hindern die Polizei an ordentlicher Ermittlungsarbeit. Sie sollte aber anders lauten: Starke Grundrechte sind unbedingt notwendig, um den Bürger vor dem Staat zu schützen und nur in absoluten Ausnahmefällen einzuschränken oder die Rechte des Bürgers haben immer (!) Vorrang vor denen des Staates. Nur wenn der Staat ein berechtigtes Interesse hat und der Schutz des Bürgers dabei in umfassender Weise gewährleistet wird, also Eingriff in das Grundrecht und die dazugehörige Maßnahme verhältnismäßig sind, ist ein solcher Eingriff überhaupt erst möglich. Und an dieser Garantie kann man bei diesem Vorhaben doch erheblichen Zweifel haben.