Ein Abend mit Ulrich Tukur und Liebeslyrik vom Allergeils… sorry, Allerfeinsten
Das St. Pauli – Theater hatte geladen. Ulrich Tukur liest das Hohe Lied der Liebe
Mooooment. Die zwei Namen, die stehen für sich. Ulrich Tukur, über ihn als Schauspieler, als Interpret, als Sänger, als Vorträger, als Text-, Lieder-, Gedicht- und weiß der Geier was noch alles –macher …. Muss man da noch viele Worte verlieren?
Und das Hohe Lied der Liebe. Luther schrieb es Salomo zu. Mir ist die hebräische Bezeichnung viel lieber: Das Schir Haschirim. Das Lied der Lieder.
Jenes Stück brünstige Erotik im Alten Testament, welches geifernd-verklemmte Theologen aller monotheistischen Religionen gerne immer mal wieder ausschließlich allegorisch (gemeint sei angeblich ausschließlich die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk bzw Jesus und seiner Kirche …) auszulegen suchten und welches sich mit seiner offen zur Schau gestellten Lust und Hitze und Sehnsucht und Enttäuschung und Verzweiflung und Hoffnung, Vollendung und Ermattung doch allen Versuchen diesbezüglich widersetzte und einfach blieb, was es immer war: Blanke Wollust!
Angekündigt war nicht nur Ulrich Tukur und das Hohe Lied der Liebe, sondern auch
die Fotografin Katharina John, Tukurs Ehefrau. Sie hat eine Folge von siebenunddreißig Fotografien zusammengestellt, die in Venedig und Tanger, in Apulien und der Mongolei, auf Kreta und Kuba und Sri Lanka entstanden sind. Diese Bilder versuchen sich auf sehr subjektive und assoziative Weise besagtem tiefsten aller Themen zu nähern, sind mitnehmend, unterstützend, herausarbeitend, kontrastierend. Sehenswert.
Vorbemerkend konnte sich Tukur nicht verkneifen, sehr humorvoll den Spannungsbogen von frommen biblischen Text und nahen Silbersack sowie dem Club de Sade hingebungsvoll zu verbalisieren. Offenbar, so schien es, kannte er sich in beidem, in Lyrik und in Location gut aus.
Im ersten Abschnitt las Tukur alsdann, die Bilder von John im Hintergrund, teils fließen lassend, teils mit gespielten Pausen kunstvoll beachtend, ausgewählte Abschnitte aus dem Schir Haschirim, dem Lied der Lieder. Viel zu schnell vergehend und doch jederzeit mitnehmend und auch an mancher Stelle zu Tränen rührend. In Sonderheit, als Hld 8,6f gelesen wurde. Und ja, ich weiß, meine Frau und ich sind nicht die einzigen, die diesen wunderbaren Text sich als Trauspruch ausgesucht haben. Und trotzdem nahm ich die Hand meiner Frau fester und verdrückte ein Tränchen … er las es in diesem Moment nur für uns.
Im Zweiten Abschnitt las Tukur husarenrittgleich eine Auswahl aus Liebesgedichten aus drei, vier oder fünf Jahrhunderten. Goethe war mit drin, Brecht, Heine, Kaleko, von Liliencron u.v.m … kurz: alles, was Rang und Namen hatte, aber auch unbekanntere Schöpfer von Liebeslyrik, Namen, die ich nie zuvor gehört hatte und die ich schon wieder vergessen habe. Sogar den Mut, ein Gedicht aus seiner Feder, Rilke kopierend, nein: Rilke nachahmend, zu lesen, fand Tukur. Glanzvoll!
Ein insgesamt gelungener Abend. Jede Minute im St. Pauli Theater war ihr Geld wert. Das ist weder auf St. Pauli noch in jedem Theater immer so …