alte Kulturen

[Katja]

Deine Fotos, Delling, haben mich dazu animiert, mal ein bißchen was über mein 'anderes Hobby' zu erzählen. Ich hoffe, es ist Dir Recht, daß ich es einfach hierher kopiert habe?



Gezeigt wird die Büste der Nofretete; ein Kunstwerk, das wohl jeder schon mal gesehen hat.
Lange Zeit (und meine Vermutung ist es nach wie vor) galt Nofretete als Mutter des Tutanchamun.
Dafür spricht, daß diese Büste in Tell el Amarna, der vergangenen Stadt Echnatons, gefunden wurde. Sie lag irgendwo im Schutt zwischen längst zerstörten Häusern; da sie unvollendet ist, vermutet man ein 'Muster', das der Schönheit Nofretetes nicht gerecht wurde und deshalb unvollendet blieb.

Ihr Gatte (und möglicher Vater Tutanchamuns) war Echnaton (sein Geburtsname war übrigens Amenophis IV.). Seine Abbildungen sehen immer wie Comics - möglicherweise litt er am sogenannte Fröhlich-Sydrom oder ähnlichem- sein Kopf war unnormal verformt.
Gleiches nimmt man auch bei Nofretete an, deren Kopfbedeckung (auch in der Büste abgeildet) eventuell eine Deformation verdecken sollte. Fakt ist aber, es ist der sogenannte Chepresch, der Kampfhelm aus dieser Zeit - ob er nun für Echnaton so angefertig wurde, ist nicht überliefert.

Eine andere Theorie besagt, daß das Zeigen (oder Verdecken) dieses Makels einfach nur aus 'Sympathie' oder Zugehörigkeitsgefühl zu Echnaton heraus abgebildet wurde.
Manche Ägyptologen vermuten sogar, daß man die Köpfe der Nachkommen Echnatons absichtlich gewickelt und somit deformiert hat.
So haben z.B. die Töchter Echnatons und Nofretetes (Merit-Aton, Maket-Aton, Anches en pa Aton) auf den Abbildungen in Reliefs auch verformte Köpfe. Man spricht sogar von der Amarna-Erkrankung - möglich, denn Inzucht in den gottgleichen PharonenFamilien gab es damals häufig!

Um Nofretetes Tod ranken sich Legenden (wie auch um ihr Leben!): eine besagt, daß sie verstoßen wurde und mit ihrer Tochter Merit-Aton aus Ägypten floh und umkam, eine andere Geschichte erzählt, sie sei ermordet worden, weil sie zu mächtig wurde, als Echnaton starb.
Daß sie nach Echnaton starb (er starb im 17. Jahr seiner Regentschaft aus ungeklärten Gründen), ist ebenso nur aufgrund von Vermutungen und Indizien belegt.

Aber es ist ja auch schon lange her ... und Zeitzeugen gibt es nur noch als Hieroglyphen.

[Johomo]

Wieso ist sie unvollendet? Sie macht doch einen ganz passablen Eindruck. Nun ja, sie hat einige Blessuren, aber das haben andere ältere Damen auch.

[Katja]

Man hat außer eben dieser Büste NICHTS anderes gefunden.
Die alten Ägypter lebten aber in dem Glauben, daß auch Abbilder absolut perfekt sein müßten, um dem Gezeigten Ehre, Achtung und Respekt zu erweisen UND dem Menschen über den Tod hinaus noch einen Körper zu geben.

Diese Büste könnte durchaus ein Teil einer Statue gewesen sein, doch da man nichts dergleichen gefunden hat, geht man davon aus, daß sie ein unvollendetes Kunstwerk ist. Die Augen dieser lebensechten Statuen waren meistens aus (Halb-)Edelsteinen - diesen hätte man finden müssen, denn der guten Dame fehlt ja eines. Räuber hätten das zweite Auge auch geklaut - also liegt die Vermutung sehr nahe, daß es sich bei der berühmten Nofretete um 'Abfall' handelt

[Johomo]

Danke für die Aufklärung, aber für mich sieht sie perfekt aus. Nicht alle schönen Köpfe die modelliert wurden, hatten einen "Unterbau".

[Katja]

Nicht alle schönen Köpfe die modelliert wurden, hatten einen "Unterbau".

Im alten Ägypten schon

[SAPP]

         Das war aber nun wirklich interessant, danke Katja !

[delling]

Hallo Katja,
diese Zusammenhänge kannte ich bisher auch nicht - aber auch sonst ist es verwunderlich, wie  gerade der Frauenkopf der Nofretete im Berliner Museum "umlagert" wird: die alte Dame hat sogar einen Extra-Raum bekommen und eine Museumswärterin lässt sie nicht aus den Augen (obwohl rundherum ein massiver Glaskasten die Büste schützt). Insgesamt wirkt der Kopf auch recht "lebendig" - wahrscheinlich ist er deshalb so beliebt....
Gruß
delling

[oelixdörferin]

 hallo katja
 eine frage zu den namen der mädchen die enden ja alle auf Aton
 hat das mit dem namen echnAton zu tun ?

[Katja]

hallo katja
 eine frage zu den namen der mädchen die enden ja alle auf Aton
 hat das mit dem namen echnAton zu tun ?

Ja, auch - aber eigentlich hat es etwas mit der Huldigung des Gottes Aton (oder Ra oder Re) zu tun.
Aton wird in der ägyptischen Kunst immer als Sonne dargestellt - das allerdings erst in der Zeit der 4. Dynastie (mal zum besseren Verständnis: 4. Dynastie = ca. 2700 bis 2200 vor Christus, in dieser Zeit entstanden die großen Pyramiden von Gizeh) - davor und manchmal noch danach symbolisierte die Sonnenscheibe aber auch den falkenköpfigen Gott Horus.
Da alle Mitglieder der Pharanonenfamilien als Gott gleich galten, sogar als Nachkömmlinge der Götter, gab man ihnen diese Namen. Oft führten sie aber noch einen zweiten Namen, der später vergeben wurde.

[oelixdörferin]

 vielen dank

[Katja]

Die alten Ägypter waren schon ein sehr fortschrittliches Volk - sie hatten Medizin (und Ärzte), als im alten Europa gerade mal Bronze 'erfunden' wurde. Sie bauten Pyramiden, als unsere Vorväter noch in Höhlen lebten....

Ägypten ist ein Eldorado für Archäologen - denn immer noch werden mehr Schätze unter der Erde vermutet, als bisher gefunden wurden.
Der berühmteste Archäologe ist wohl zur Zeit Zahi Hawass, ein Ägypter (wen wundert's?! ), der gleichzeitig auch Verwalter aller Ausgrabungen, die z.Zt. noch in Ägypten stattfinden. Ohne ihn geht nix...
Und er bremst die Abenteuerlust der Ausländer in seinem Land! Zu Recht, denn Ägypten ist arm und kann die archäologische Kunst nicht konservieren und ausstellen; der finanzielle Aufwand wäre zu groß.

Mal ein bißchen Geschichte in der Geschichte?

Als zum Ende des 19. Jahrhundert die Briten wie die Heuschrecken nach sagenhaften Schätzen in ihrer Kolonie suchten, fanden sie auch Gräber, die voller mumifizierter Tierkörper waren. Hunde, Katzen, Antilopen, Affen.... alle kunstvoll einbalsamiert und mit Leinenbinden gewickelt.
Viele hatten wertvolle Goldmasken, ähnlich denen des legendären Tutanchamun.
Da es ja 'nur Tiere' waren, stahlen Grabräuber aller Nationalitäten die kostbaren Grabbeigaben und verschifften Unmengen von Tiermumien nach good old England.
Nicht, daß man sie dort ins Museum packen und zur Schau stellen wollte - NEIN, man zerbröselte sie und düngte damit die Felder!! Kein Witz!
Ca. 180.000 dieser Tiermumien wurden allein aus EINEM Grab entwendet und 'entsorgt'!

*seufz*

Aber dennoch fand man später (und schlauer) noch sehr viel mehr tierische Mumien: die heiligen Stiere und Ibise, Schakale und Krokodile uvm.

Wie groß die Achtung der alten Ägypter auch vor den Tieren war, erkennt man daran, daß sie die kosten- und zeitintensive Art der Einbalsamierung bezahlte.

Wie das ging und warum die ollen Ägypter das machten, erzähle ich mal ein anderes Mal (wenn Ihr wollt) - nicht so kurz vor dem Abendessen.

[Johomo]

Haben sie nicht mit einer Art Stricknadeln das Gehirn durch die Nase rausgeholt?

[bertee54]

Moin allerseits!

Ich würde gern mehr davon hören (lesen); als Jugendlicher hat mich das Buch "Götter, Gräber und Gelehrte" von C. W. Ceram absolut fasziniert!

Die frühen Hochkulturen dieser Welt hatten etwas für sich, nicht nur in Ägypten!

BerndT.

[Katja]

Wie ein langer Häkelhaken sah das wichtigste Gerät der Einbalsamierer im alten Ägypten aus. Das Ding wurde durch die Nase ins Gehirn gestoßen, dort kräftig hin- und herbewegt (um die Gehirnmasse zu zerkleinern) und dann in kleinen Stücken durch die Nase herausgepuhlt zu werden.

Wie schon beschrieben war die Unversehrtheit des (toten) Leibes sehr, sehr wichtig, um der (nach dem Tod) entfleuchten Seele wieder einen Körper im Jenseits zu erhalten.
Darum war die Methode "Kopp auf, Hirn raus" auch nicht machbar - die Knochen wuchsen eben nicht mehr zusammen im Tod. Die Hirnmasse wäre aber aufgrund der Feuchtigkeit schnell verfault, Faul- und Gärgase ... nee, das ist wirklich ekelig (nach dem Essen ist vor dem Essen!)

Dieser 'Häkelhaken' war aus Bronze - nur zur Erinnerung: wir sprechen von einer Zeit ab 3000 VOR Chr. - die europäische Bronzezeit war gut 1000 Jahre später!!

Nun gut - das Hirn war also draußen - und die Organe (die auch verfaulten und den Körper schädigen konnten) wurden entnommen. Jedes Organ wurde in einen Krug gepackt (dem sogen. Kanopenkrug) und dem Grab und der Mumie beigefügt.
 
Wassolls hat ein superschönes Foto von diesen Krügen gemacht - ich kopiere es Euch mal her:



Wie Ihr auf diesem Bild wunderbar sehen könnt, sind die Deckel dieser Krüge in Form eines Kopfes. Das hat damit zu tun, daß jedes Organ einer Gottheit zugeordnet wurde. Somit sieht man die Leber immer im Krug der Isis, Nephtys (Schwester der Isis) war für die Lunge zuständig, Neith (Mutter des Krokodilgottes Sobek) hatte den Magen und Selket (älteste Göttin, Mutter des Schlangengottes) beschützte die Eingeweide.

Isis, Nephtys, Neith und Selket sind auch die Schutzgöttinnen der Horussöhne - und wie DAS nun wieder in die ganze Geschichte paßt, erfahrt Ihr ein anderes Mal - wenn Ihr wollt.

[Kuno]

Klar wollen wir, Katja

                                    Danke für Deine Berichte