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Nepal

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Katja:
Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht!! Es war 1999 - mein "aktivstes" Reisejahr, da waren wir (meine Schwester, mein Schwager und ich) auf einer Rundreise. Unter anderem führte uns der Weg nach Nepal - genauer gesagt: nach Kathmandu, Hauptstadt dieses unglaublichen Landes.

Die erste Stunde in diesem Land (außerhalb des Flughafens) war noch nicht ganz herum, da wollt ich eigentlich schon nach Hause!! Wie –werdet Ihr jetzt sagen – und warum müssen wir diesen Bericht lesen?
Na ja, weil man schon etwas länger als eine Stunde dort sein MUSS, um zu erkennen, daß es wunderbar ist!

Auf dem internationalen Flughafen angekommen, wurde ich sehr stark an einen Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses (aus amerikanischen Spielfilmen) erinnert. Überall Wachen, ellenlange Schlangen vor den Einreise-Terminals.... und DORT waren wirklich alle Nationalitäten der Welt vertreten.

Nepal gilt immer noch als DAS „Aussteiger-Land“, in dem sich allerlei merkwürdige Gestalten herum treiben. Als erstes viel mir ein ältliches Hippie-Mädchen auf, welches die 50 bestimmt schon einige Jährchen überschritten hatte... die 60er Jahre ließen grüßen: Schlaghosen, gehäkelte Weste über dem kitschig-bunten T-shirt... Ein rasta-behaarter Mischling mit Bob-Marley-Mütze und gaaaanz kleinen Pupillen summte vor sich hin, ignorierte die Hunde, die scheinbar nach Drogen suchten; auch eine Möglichkeit, vollkommen clean durch die Sicherheitskontrollen zu kommen: konsumiere Deine Drogen vorher!!!
Bildhübsche Inderinnen in ihren farbenprächtigen Saris passten so gar nicht in die schmuddelige Atmosphäre – und ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich eine besonders hübsche Frau anstarrte!! Peinlich, denn sie lächelte mich an! Und das war es auch, was ich als Europäer so erstaunlich fand: alle Menschen lächeln! – und die meisten sogar, ohne irgendwelche Rauschmittel zu sich genommen zu haben! ;o))
Die Einreise dauerte gut 2 Stunden – Papierkrieg gibt es also auch dort – auf dem Dach der Welt – ich war beruhigt!

Ein klapperiges Taxi, daß in Deutschland sicherlich schon 10 Jahre zuvor gnadenlos vom TÜV stillgelegt worden wäre, brachte uns vom Flughafen zum „Kathmandu Guest House“, unserem Domizil für die nächsten 10 Tage. Das Gebäude schien aus einem alten deutschen Film entsprungen zu sein – kennt jemand noch den „Tiger von Eschnapur“? So ungefähr stellt Euch dieses Haus vor! Wunderhübsche Antiquitäten zeugten noch von einem Hauch von Luxus, der in diesem Haus einmal geherrscht haben muß. Nun war alles alt und teilweise ziemlich vernachlässigt – aber der „Kern“ war wirklich schön...
Aber ich schweife ab: der Weg vom Flughafen führte uns über etwas bessere Feldwege, die ohne feste Fahrbahndecke dennoch eine der „Mainstreets“ der Hauptstadt waren. Rechts und links im Straßengraben türmten sich Berge von Müll und Unrat. Nicht dieser „Wohlstands-Müll“ von dem wir hier heimgesucht werden, sondern „echter“ Abfall. Die Definition von „echtem Müll“ werde ich euch später geben...
Kinder spielten in diesem unglaublichen Müll, Hunde, die kein Fell mehr hatten liefen dazwischen herum. Ich fragte mich, welche Krankheit diese Tiere wohl hätten....ich erzähle es Euch später. Die Kinder schienen in ihrem elend dennoch gesund und – und das war das Unglaublichste für mich – GLÜCKLICH! Das war der Zeitpunkt, an dem ich nach Hause wollte; dieser Müll war nix für mich, mein Mitleid für Mensch und Tier trieben mir die Tränen in die Augen...!!

Nun gut, daß Hotel erwies sich als sauber und ordentlich, alt und sehr gebraucht, aber dennoch so, daß man sich wenigstens keine ansteckenden Krankheiten holen konnte. Für diese Gedanken sollte ich mich später in Grund und Boden schämen!!
Tief in mir verfluchte ich meinen Schwager, der uns in diese gottverdammte Gegend gebracht hatte – ehrlich: WENN es einen Gott gibt, war dieser noch NICHT in Nepal gewesen!!

Den Koffer wollte ich nicht auspacken, denn ich hoffe immer noch, daß es sowohl meiner Schwester, als auch meinem Schwager dort genauso wenig gefiel, wie mir und wir diesen Punkt der Reise einfach ausfallen lassen würden. Ich zog mich nicht um, war total frustriert und hoffte, wenigstens einen gepflegten Hamburger irgendwo in der Stadt zu finden! Ich hatte Hunger und Durst, war gefrustet und ....na ja, ich wollte dort nicht sein!

Außerdem war es kalt – höchstens 18° - und ich dachte daran, daß ich keinen warmen Pullover mitgenommen hatte... DAS sollte Urlaub sein?? Neee, nicht für mich!! Der Garten war zwar hübsch, aber noch nicht einmal einen swimming-pool hatten sie hier!!!
10 Tage...immer wieder kam mir diese laaaange Zeit in den Sinn. Ich seufzte und erklärte meiner Schwester, daß ich nun nach etwas Essbarem á la Mc Donalds Ausschau halten wollte.
Was könnte man hier schon anderes zu sich nehmen???

Als wir die Hotel-Anlage verließen, fiel mir ein kleiner Junge auf, der sich ziemlich schnell an unsere Fersen heftete. Er verjagte ganze Horden anderer Kinder, lächelte uns an, als wenn er sagen wollte: okay, ich werde euer City-guide sein, eure Privat-Armee, die euch diese bettelnden Kinder vom Hals hält. Er folgte uns auf Schritt und Tritt und hatte ziemlich an einer riesigen Kiste zu schleppen. Der Junge war ca. 8 Jahre alt und schon ein selbständiger „Unternehmer“: er putzte den Touris die Schuhe.... Dumm für ihn, daß in Kathmandu vorwiegend Rucksack-Touristen verweilen, die auf alles achten, aber bestimmt nicht auf saubere Schuhe.
Den Namen des Jungen konnte ich mir keine 15 Sekunden merken, aber er fand „Shoe-shine“ als Ersatz so prima, daß er mir ein Lächeln schenkte, welches mich meinen ganzen Frust (fast schon) vergessen ließ.

Der Weg in die Innenstadt führte uns durch ein Viertel, welches ich im Dunkeln niemals ohne eine Hundertschaft Bodyguards durchquert hätte... und ich lief fast, immer in der Hoffnung, es bald durchquert zu haben. Aber diese Hoffnung sollte sich bald in Luft auflösen, denn hier sah ALLES so aus!!!

Menschen kochten auf der Straße, wenn man platt getretenen Lehm überhaupt so nennen kann- Mütter stillten ihre Kinder auf einer Mauer sitzend; Fliegen, Autoabgase und frei laufende Hunde schienen hier überhaupt nicht zu stören. Auf einem großen Platz sah ich einen Tankwagen und wunderte mich, daß er mitten in der Stadt irgendeinen Behälter füllen wollte. Als ich sah, WAS dort passierte, war ich entsetzt: dieser Wagen brachte Wasser zu einem Platz, an dem Wäsche gewaschen, Trinkwasser geholt und gleichzeitig geduscht wurde!!!!
Es gab in den meisten Häusern von Kathmandu KEIN fließendes Wasser!!!
Ich war fassungslos – und das war der Grund, warum ich schon ein fürchterlich schlechtes Gewissen bekam: unser Zimmer HATTE fließendes Wasser! Sogar warmes und kaltes!! Und hier drängten sich zig Menschen um EINE kleine Zapf-Quelle...

Die Häuser, die ich sah, waren aus Lehmziegeln gebaut, teilweise so verfallen, daß ich schon im Geiste die Baupolizei rief. Hier wohnten aber Menschen in diesen Behausungen, die bei einem schweren Regen sicherlich in sich zusammenfallen würden!
In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel Armut auf einem Haufen gesehen!! Aber: die Menschen waren GLÜCKLICH!!! Und das wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Unser Weg führte uns immer weiter Richtung Innenstadt und ich erhoffte immer noch ein geschwungenes M zu finden. Was ich fand, war eine Tankstelle: na und, werdet Ihr sagen, was ist da schon besonderes ´dran?
Diese Tankstelle bestand aus einem 200-Liter-Faß, welches ziemlich windschief auf dem Lehmboden stand. Die Handpumpe, mit der die AUTO dort den Treibstoff abpumpten, sorgte dafür, daß das ganze Gebilde hin- und herschwang, sich der Inhalt auch leicht verflüchtigte, weil der Rost bereits Löcher in den Deckel gefressen hatte. Der „Tankwart“ schien lebensmüde zu sein: eine halb aufgerauchte Kippe im Mundwinkel schmorte nicht nur fast die Oberlippe an, sondern wurde auch noch ziemlich dicht (für meinen Geschmack ZU dicht) mit dem Gesicht Richtung Faß geschoben, um den Inhalt des Tankes zu überprüfen. Ich suchte schnell das Weite....

Überall in Kathmandu kann man Rikschas mieten, die an einem Fahrrad gezogen über die „Straßen“ holpern. Die Fahrer dieser „Taxis“ schienen mir so dünn, daß eine Steigung genügt hätte, sie ohnmächtig von den Pedalen rutschen zu lassen. Ich überlegte, ob ich mir den Luxus gönnen oder lieber Rücksicht auf die Menschen nehmen sollte. Einerseits war es ihr Verdienst, andererseits auch ihre Gesundheit, die sie dabei auf´s Spiel setzten! Schließlich war ich gut genährte Europäerin sicherlich nicht einfach fort zu bewegen!
Wir ließen es sein, doch das hatte keine der o.g. Gründe, sondern war einfach in der Tatsache begründet, daß wir auf einen Markt kamen, auf dem hunderte von Händlern allerlei Waren anboten: Glasperlenketten in allen Farben, Wolldecken in allen Schattierungen, Schachspiele aus Holz, antike Dolche aus Silber, Kleider, die eindeutig second hand waren, in heißem Fett gebratenes Irgendwas.... Gewürze, rohes Fleisch, auf dem die Fliegen zu Scharen saßen...an einem Stand sah ich einen Fleischwolf, aus dem Spatzen die Reste pickten....erzähl mir noch einmal einer etwas über eine Hackfleisch-Verordnung!!
Das Lustigste, was ich gesehen habe, war ein Stand, an dem man Gebisse kaufen konnte!!! Wirklich, Ihr Lieben, echte Klapper-Männer, die sicherlich gleich vor Ort ausprobiert werden... ich wollte warten und hoffte auf Kundschaft in diesem Unternehmen...aber es tat sich nichts in dieser Richtung!

So gingen wir weiter und kamen auf den Platz, den man „Durbar Square“ nennt. Dieser Platz gleicht einen Marktplatz und er ist eingerahmt von tollen Häusern, die wieder Kulisse vom „Tiger von Eschnapur“ hätten sein können. Überall kann man kleine Schreine sehen, die mit Messing-, Kupfer oder manchmal sogar Gold beschlagen in der Sonne leuchten und einer Gottheit geweiht sind. Hier in Deutschland findet man häufig in Asien-Läden einen Gott, der den Kopf eines Elefanten hat: das ist Ganesh – einer der Hauptgottheiten in Nepal!
Heilige Männer, sogenannte Sadhus, sitzen überall herum und werden von den Menschen dort wie lebende Heilige geehrt: man bringt ihnen Essen und Trinken, obwohl man selbst kaum genug zum Überleben hat. Diese Sadhus sind meistens nur mit einem kleinen, lumpigen Lendenschurz bekleidet, um so ihre Armut zu demonstrieren. Sie haben das Leben in Armut gewählt, reisen durch das Land, um so irgendwann –so hoffen sie- die Erleuchtung zu finden. Wenn einige dieser Sadhus ziemlich schmutzig wirken, liegt es daran, daß sie sich mit der heiligen Asche eingerieben haben....oh man, einige sind WIRKLICH schmutzig!!!
Aber die Menschen verehren sie sehr, lassen sich von ihnen segnen und geben dafür, was sie können – manchmal sogar mehr.

Desinfector:
Ein schöner Bericht (Teil 1), der Lust auf mehr macht.

P.S.
Bei dem Satz mit den Gebissen hab ich ziemlich laut gelacht...

Capitano:
Bin zwar nie in Nepal gewesen - gibt ja keinen Seehafen da - spüre aber beim Lesen  gleich wieder dieses Gefühl aus Neugier und Kulturschock, das ich immer hatte, wenn ich in Asien über die Märkte gebummelt bin.

Bernd:
Kaum versprochen und schon gelesen!

Ein Lob auch für diesen ersten Teil Deines Nepal-Berichtes:
Information + eigene Gedanken = Unterhaltung

Dein Schreibstil macht das Lesen leicht und erfreut mich.

Weiter so.

Katja:

An diesem besagten Ankunftstag fand ich KEIN geschwungenes M...aber ein hübsches kleines Restaurant, welches wohl eine Pizzeria sein sollte. Im ersten Stock eines Hauses, welches im Erdgeschoß einen Andenkenladen beherbergte. Leider fiel genau zu der Zeit der Strom in dem Viertel aus, wo meine Magensäfte sich ganz auf Pizza eingestellt hatten....ich sollte verhungern in diesem Land...

In einer Bäckerei fanden wir noch einige Brötchen, von denen wir (weil sie so preiswert waren) gleich mehrere einkauften. Am nächsten Morgen wollten wir nach Nargakot fahren: ca. 1,5 Stunden Fahrt von Kathmandu. Diesen Ort kennt man sicherlich nur deshalb, weil man von dort einen sagenhaften Blick auf einige der höchsten Berge der Welt haben kann – das wollten wir uns ansehen – und zwar beim Sonnenaufgang! Wißt Ihr, wann die Sonne im Himalaya aufgeht??? Ich wusste es nicht! Und was ich auch nicht wusste, war, WIE wir dorthin kommen sollten..... aber Brötchen hatten wir ja schon mal – und dank meiner Reisevorbereitungen auch einen Wasserkocher und löslichem Kaffee....

Den kochte ich morgens um 4! Ja, Ihr lest richtig: um 4 Uhr!!!! Mein Schwager hatte ein Taxi bestellt (es kostete ungefähr 10 DM damals), welches uns nach Nargakot bringen sollte. „Zieht euch bequeme Schuhe an!“ sagte er noch....was sollte DAS nun wieder???

Es war schweinekalt – allerhöchstens 5° und auf Winter waren wir garderobenmäßig wirklich nicht eingestellt! Aber sicher hatte das Auto eine Heizung? Das Zimmer hatte nämlich KEINE!

Ob ihr es glaubt oder nicht: mir lief der Schweiß schon nach ca. 5 Minuten – allerdings war es ANGSTschweiß!!! Dieses Auto war noch grottenschlechter, als das, welches uns vom Flughafen ins Hotel gebracht hatte. Ich saß auf der „verkehrten“ Seite, denn auch hier in Nepal herrscht Linksverkehr....natürlich nicht um diese Zeit – da herrscht gar kein Verkehr!

Dennoch sah ich ziemlich viel in dem spärlichen Licht, welches die Scheinwerfer ausstrahlten... Ausstrahlten??? Na ja, eines strahlte nach oben (vielleicht zum Eichhörnchen suchen in den Bäumen?) und das andere ab und zu einmal auf die Straße – aber nur dann, wenn ein Schlagloch den Wackelkontakt behoben hat.

Nargakot liegt ca. 2000 m über dem Meeresspiegel – angesichts der 6 – und 8.000er Berge dort sicherlich nicht viel! Aber die Steigung war wohl doch zuviel für das Auto...denn irgendwann hielt der Fahrer an, sprang schnell aus demselben...ich merkte ein Rumpeln (hoffentlich war er jetzt nicht von seinem eigenen Gefährt überrollt!!!!) und dann ging vorne die Haube auf!
Unser Fahrer holte aus dem Kofferraum einen Kanister mit Wasser und füllte mal eben so den Kühler nach – einen Deckel hatte der Kühler nicht, wahrscheinlich verloren.... Oh Gott, mit einem Stoßgebet zum Himmel (ich bin nicht GLÄUBIG!!) erkannte ich, daß der Fahrer vergessen hatte, die Handbremse anzuziehen! Hier am Berg!!! So wat von fahrlässig....mit einem beherzten Ruck zog ich also an dem Hebel....und haute beinahe meine Schwester hinten im Font K.O.!!! Es war gar kein Widerstand in diesem Hebel!!! Kein Ratschen und Knacken, wenn die Bremse greift!!!! Entsetzen überkam mich – schließlich saß ich VORNE!!! Ein Griff nach links zur Seite...in meiner bodenlosen Gutgläubigkeit wähnte ich dort einen Sicherheitsgurt...ging ebenso ins Leere! Okay, manche Menschen sterben eben jung!
Da ging die Haube zu, der Fahrer bückte sich noch einmal kurz, zerrte einen dicken Ast unter den Vorderreifen weg und die Fahrt ging weiter. Wer braucht schon eine Handbremse, wenn Mutter Natur doch für Ersatz sorgt. Ja, auf die Natur konnte man sich verlassen....

Wir erreichten Nargakot tatsächlich unbeschadet und es wurde langsam heller – allerdings war vom Sonnenaufgang noch nix zu sehen. Es war dieses Licht, welches da ist, und doch nicht richtig...wisst Ihr, was ich meine?? Es ist nicht hell und nicht dunkel, und trotzdem ist alles in ein diffuses Licht getaucht, welches sehr unwirklich anmutet. Nein, es war NICHT unheimlich – im Gegenteil- es war wunderschön anzusehen, wie die Farben sich von leicht grau in helles rot verwandelte und die Welt um uns in Zuckerwatte einzutauchen schien.

Ich setzte mich auf eine Mauer in die Richtung, die der Fahrer uns noch gezeigt hatte, während er das Auto wendete und davonfuhr....ich dachte nicht darüber nach, wie wir von hier oben wieder weg kommen sollten, sondern verfiel in tiefes Schweigen und harrte der Dinge, die da nun bald kommen sollten: der Sonnenaufgang über dem Himalaya!

Inzwischen waren noch ein paar andere Menschen aufgetaucht, und obwohl ich dachte, wir seien die einzigen Blöden, die sich zu so nachtschlafener Zeit aus den Betten quälten, wurde es um uns herum ziemlich voll. Eine Gruppe Japaner bauten mit Stativen und Ständern ihre Fotoausrüstungen auf. Es wurde fotografiert auf „Teufel komm´raus“, obwohl –außer dem „irren“ Licht- nicht zu sehen war.
Bevor noch ein kleiner zarter Schimmer von organge-rotem Licht ankündigte, daß es nun bald soweit sein musste, hatten diese Leute tatsächlich schon 3 Filme verknipst! Ich saß kopfschüttelnd auf meiner Mauer, verfluchte meinen Schwager schon das zweite Mal und kaute an einem nicht mehr ganz frischen Brötchen.... Plötzlich stieß mich jemand an: ein großer schwarzer Hund wollte, daß ich mir mit ihm das Brötchen teilte. Er hatte mich schon allein durch seine Größe schnell überredet! Plötzlich waren so ca. 15 weitere Hunde da und die restlichen Brötchen waren noch schneller verteilt ! Und ich hatte 15 neue Freunde! ;o))

Über dem gigantischen Gebirgsmassiv wechselte die Farbe nun in ein märchenhaftes Rot und es konnte nur noch Sekunden dauern, bis wir die Sonne sehen konnten....
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie gespannt ich dort saß, unter jedem Arm einen Hund (schließlich waren sie doch warm - und wen störten schon ein paar Flöhe????-besser als Erfrieren!!) und als ich schon dachte: Jetzt, jetzt ist es soweit, kam wie durch Zauberhand Nebel auf! So schnell habe ich das noch nie erlebt! Ohne Ankündigung wurde die Suppe dichter und dichter und statt eines Sonnenaufganges hatten wir eine riesige Nebelwand vor unseren Augen.

Auch daran war mein Schwager schuld! Bestimmt!!! Ziemlich verärgert fragte ich dann, wie wir nun wieder in die Stadt kämen.... na ja, zu Fuß – wie sonst!
Ich bekam fast einen Anfall!!! Ich, die NIEMALS NICHT irgendwo zu Fuß hingeht (außer zum Schaufenster begucken!) sollte jetzt die 40 km nach Kathmandu zurück LAUFEN???? Neee, das war sicherlich nur ein Scheiß-Scherz!!!
War es nicht! Ich steckte die Hände in die Taschen und folgte dem Führer, der uns als Gruppe wieder ins Tal bringen sollte. „Two hours“ sagte er....Wie 2 Stunden??? Wir haben mit dem Auto 2 Stunden gebraucht!! Wo sollte es hingehen???? Wieso rannte dieser Kerl eigentlich so?? Ich war im URLAUB und nicht auf der Flucht!!!
Nach 3,5 Stunden hartem Fußweg über Stock und Stein, auf welchem wir keiner Menschenseele begegnet sind, winkte uns der Führer nett und lächelnd zu und verschwand im Nichts!!! Er zeigte zwar noch in die Richtung, in welche wir gehen sollten, erklärte noch, die Straße (welche STRASSE????) macht nach einer Meile einen Knick (ist eine Meile nicht etwas mehr als 1,6 km????) und wir sollten ihr folgen...

Mein einziger Hoffnungsfunken, jemals aus dieser Öde herauszukommen, stieg wie eine Gemse einen Berg hoch und verschwand inter der Kuppe! Ich wollte hinterher – schreien, NIMM MICH MIT!!!- aber meine Stimme versagte. Ich war allein mit meiner Schwester und meinem Schwager (dem ich immer noch nicht verziehen hatte und wieder verfluchte!!) und der Sonne, die nun ziemlich kräftig vom Himmel schien. Mein Schwager erklärte, er wäre schon einmal hier gewesen und kenne den Weg! Ich glaubte ihm kein Wort, denn es sah für mich alles so gleich aus! Geröll, ab und zu ein Büschlein, Sand, Steine.....weites NICHTS mit Hügeln und Bergen!
Ja, dem lieben Gott- wenn er denn im Himmel wohnt – war ich schon verdammt nahe!! Aber mal ehrlich – ich fühlte mich zu jung zum Sterben! Deswegen also bequeme Schuhe!! Aber hatte irgendjemand etwas von Nahrung gesagt??? Ich hatte Kohldampf bis unter beide Arme – frische Luft macht hungrig – und nirgendwo eine Imbiß-Bude, ja noch nicht einmal ein Busch mit Beeren.... survival-training pur! Oh, ich war wütend!!!!

Und wahrscheinlich war es diese Wut, die mich immer weiter vorantrieb! Immerhin sah ich am Horizont einen Schornstein – Anzeichen für Zivilisation – aber es hätte ja auch eine Fata Morgana sein können!

Ehrlich – was sich jetzt sicher ganz lustig anhört, war für mich die Hölle! Ich HASSE es, grundlos die Botanik platt zu trampeln – ohne zu wissen, wie lange ich noch laufen muß! Es waren Stunden.... und so hatte ich irgendwann einfach die Schnauze so gestrichen voll, daß ich mich setzte und nicht mehr weitergehen wollte, weil nix, aber auch absolut GAR NIX mich dazu bewegen wollte, noch jemals einen Fuß vor den anderen zu setzen!!

Während ich so allein dort saß (meine Verwandtschaft ist tatsächlich weitergegangen!!) sah ich durch das Buschwerk eine Straße!!! Wirklich – eine echte Straße!!! Kinder, war DAS ein schöner Anblick!!! Wo es Straßen gab, gab es Autos, wo es Autos gab, gab es Menschen, wo es Menschen gab, gab es etwas zu Essen..... DAS beflügelte mich!

Und was soll ich sagen, ein paar hundert Meter weiter fanden wir eine BUSHALTESTELLE!!! Dieser „Bus“ entpuppte sich als das, was ich schon einmal im Fernsehen gesehen hatte: in einem Krimi brannte einmal ein Kastenwagen aus! Als er gelöscht war, sah er so aus, wie das, was ich jetzt erblickte!
Holzbänke waren darin, der Reserve-Reifen lag einfach in der Gegend rum. Ich setzte mich darauf – denn es schien mir sicherer, als diese Bänke....

Außer uns hatten es sich noch ca. 10 Frauen dort bequem gemacht – eine hübscher als die andere! Sicher wollten sie zu einer Schönheitskonkurrenz, denn ihre Kleider waren farbenprächtig und wunderschön. Eine Frau zog ihr Baby vor, stillte es unter dem heftigen Geschnatter ihrer Freundinnen. Nein, sie wollten zum Markt nach Bakthapur!

Dort wollten wir nicht hin, wussten aber, daß von Bakthapur aus ein anderer Bus Richtung Kathmandu fuhr.

Nein, es war nicht das „verwegenste“ Gefährt, in dem ich je gesessen hatte....DAS sollte erst noch kommen.
Am Umsteigebahnhof zeigte uns ein Mann das Gefährt, mit welchem wir noch die letzten 15 Km fahren sollten... Einen Elektro-Bus!!!!
Kein Witz! Es war ein Bus, der wie eine Straßenbahn mit einer Oberleitung verbunden war! Nur die Schienen fehlten.! In Gedanken malte ich mir aus, wie es wäre, wenn eine Kurve zu schnell genommen wird, ein Eselkarren den Weg blockierte und ein Ausweichmanöver erforderlich wurde.... Nein, ich verbot mir, weiter darüber nachzudenken, denn als ich uns im Geiste den steilen Abhang herunter trudeln sah..., wurde mir übel..
Aber besser als Laufen war es schon, oder? Meine Füße fühlten sich an, als wäre ich über glühende Kohlen gelaufen – barfuß! Und noch ein paar Kilometer würden sie sicherlich nicht aushalten... Also versuchte ich es mit Meditation – schließlich waren wir in einem sehr mentalen Land....

Wir erreichten Kathmandu unversehrt – was ich nur der „göttlichen Nähe“ zuschrieb.... sollte ich noch gläubig werden in Nepal???

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