Autor Thema: Nepal  (Gelesen 2457 mal)

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Katja

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Nepal
« am: Donnerstag, 27. September 2007 - 15:49:00 »
Unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht!! Es war 1999 - mein "aktivstes" Reisejahr, da waren wir (meine Schwester, mein Schwager und ich) auf einer Rundreise. Unter anderem führte uns der Weg nach Nepal - genauer gesagt: nach Kathmandu, Hauptstadt dieses unglaublichen Landes.

Die erste Stunde in diesem Land (außerhalb des Flughafens) war noch nicht ganz herum, da wollt ich eigentlich schon nach Hause!! Wie –werdet Ihr jetzt sagen – und warum müssen wir diesen Bericht lesen?
Na ja, weil man schon etwas länger als eine Stunde dort sein MUSS, um zu erkennen, daß es wunderbar ist!

Auf dem internationalen Flughafen angekommen, wurde ich sehr stark an einen Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses (aus amerikanischen Spielfilmen) erinnert. Überall Wachen, ellenlange Schlangen vor den Einreise-Terminals.... und DORT waren wirklich alle Nationalitäten der Welt vertreten.

Nepal gilt immer noch als DAS „Aussteiger-Land“, in dem sich allerlei merkwürdige Gestalten herum treiben. Als erstes viel mir ein ältliches Hippie-Mädchen auf, welches die 50 bestimmt schon einige Jährchen überschritten hatte... die 60er Jahre ließen grüßen: Schlaghosen, gehäkelte Weste über dem kitschig-bunten T-shirt... Ein rasta-behaarter Mischling mit Bob-Marley-Mütze und gaaaanz kleinen Pupillen summte vor sich hin, ignorierte die Hunde, die scheinbar nach Drogen suchten; auch eine Möglichkeit, vollkommen clean durch die Sicherheitskontrollen zu kommen: konsumiere Deine Drogen vorher!!!
Bildhübsche Inderinnen in ihren farbenprächtigen Saris passten so gar nicht in die schmuddelige Atmosphäre – und ich habe mich selbst dabei erwischt, wie ich eine besonders hübsche Frau anstarrte!! Peinlich, denn sie lächelte mich an! Und das war es auch, was ich als Europäer so erstaunlich fand: alle Menschen lächeln! – und die meisten sogar, ohne irgendwelche Rauschmittel zu sich genommen zu haben! ;o))
Die Einreise dauerte gut 2 Stunden – Papierkrieg gibt es also auch dort – auf dem Dach der Welt – ich war beruhigt!

Ein klapperiges Taxi, daß in Deutschland sicherlich schon 10 Jahre zuvor gnadenlos vom TÜV stillgelegt worden wäre, brachte uns vom Flughafen zum „Kathmandu Guest House“, unserem Domizil für die nächsten 10 Tage. Das Gebäude schien aus einem alten deutschen Film entsprungen zu sein – kennt jemand noch den „Tiger von Eschnapur“? So ungefähr stellt Euch dieses Haus vor! Wunderhübsche Antiquitäten zeugten noch von einem Hauch von Luxus, der in diesem Haus einmal geherrscht haben muß. Nun war alles alt und teilweise ziemlich vernachlässigt – aber der „Kern“ war wirklich schön...
Aber ich schweife ab: der Weg vom Flughafen führte uns über etwas bessere Feldwege, die ohne feste Fahrbahndecke dennoch eine der „Mainstreets“ der Hauptstadt waren. Rechts und links im Straßengraben türmten sich Berge von Müll und Unrat. Nicht dieser „Wohlstands-Müll“ von dem wir hier heimgesucht werden, sondern „echter“ Abfall. Die Definition von „echtem Müll“ werde ich euch später geben...
Kinder spielten in diesem unglaublichen Müll, Hunde, die kein Fell mehr hatten liefen dazwischen herum. Ich fragte mich, welche Krankheit diese Tiere wohl hätten....ich erzähle es Euch später. Die Kinder schienen in ihrem elend dennoch gesund und – und das war das Unglaublichste für mich – GLÜCKLICH! Das war der Zeitpunkt, an dem ich nach Hause wollte; dieser Müll war nix für mich, mein Mitleid für Mensch und Tier trieben mir die Tränen in die Augen...!!

Nun gut, daß Hotel erwies sich als sauber und ordentlich, alt und sehr gebraucht, aber dennoch so, daß man sich wenigstens keine ansteckenden Krankheiten holen konnte. Für diese Gedanken sollte ich mich später in Grund und Boden schämen!!
Tief in mir verfluchte ich meinen Schwager, der uns in diese gottverdammte Gegend gebracht hatte – ehrlich: WENN es einen Gott gibt, war dieser noch NICHT in Nepal gewesen!!

Den Koffer wollte ich nicht auspacken, denn ich hoffe immer noch, daß es sowohl meiner Schwester, als auch meinem Schwager dort genauso wenig gefiel, wie mir und wir diesen Punkt der Reise einfach ausfallen lassen würden. Ich zog mich nicht um, war total frustriert und hoffte, wenigstens einen gepflegten Hamburger irgendwo in der Stadt zu finden! Ich hatte Hunger und Durst, war gefrustet und ....na ja, ich wollte dort nicht sein!

Außerdem war es kalt – höchstens 18° - und ich dachte daran, daß ich keinen warmen Pullover mitgenommen hatte... DAS sollte Urlaub sein?? Neee, nicht für mich!! Der Garten war zwar hübsch, aber noch nicht einmal einen swimming-pool hatten sie hier!!!
10 Tage...immer wieder kam mir diese laaaange Zeit in den Sinn. Ich seufzte und erklärte meiner Schwester, daß ich nun nach etwas Essbarem á la Mc Donalds Ausschau halten wollte.
Was könnte man hier schon anderes zu sich nehmen???

Als wir die Hotel-Anlage verließen, fiel mir ein kleiner Junge auf, der sich ziemlich schnell an unsere Fersen heftete. Er verjagte ganze Horden anderer Kinder, lächelte uns an, als wenn er sagen wollte: okay, ich werde euer City-guide sein, eure Privat-Armee, die euch diese bettelnden Kinder vom Hals hält. Er folgte uns auf Schritt und Tritt und hatte ziemlich an einer riesigen Kiste zu schleppen. Der Junge war ca. 8 Jahre alt und schon ein selbständiger „Unternehmer“: er putzte den Touris die Schuhe.... Dumm für ihn, daß in Kathmandu vorwiegend Rucksack-Touristen verweilen, die auf alles achten, aber bestimmt nicht auf saubere Schuhe.
Den Namen des Jungen konnte ich mir keine 15 Sekunden merken, aber er fand „Shoe-shine“ als Ersatz so prima, daß er mir ein Lächeln schenkte, welches mich meinen ganzen Frust (fast schon) vergessen ließ.

Der Weg in die Innenstadt führte uns durch ein Viertel, welches ich im Dunkeln niemals ohne eine Hundertschaft Bodyguards durchquert hätte... und ich lief fast, immer in der Hoffnung, es bald durchquert zu haben. Aber diese Hoffnung sollte sich bald in Luft auflösen, denn hier sah ALLES so aus!!!

Menschen kochten auf der Straße, wenn man platt getretenen Lehm überhaupt so nennen kann- Mütter stillten ihre Kinder auf einer Mauer sitzend; Fliegen, Autoabgase und frei laufende Hunde schienen hier überhaupt nicht zu stören. Auf einem großen Platz sah ich einen Tankwagen und wunderte mich, daß er mitten in der Stadt irgendeinen Behälter füllen wollte. Als ich sah, WAS dort passierte, war ich entsetzt: dieser Wagen brachte Wasser zu einem Platz, an dem Wäsche gewaschen, Trinkwasser geholt und gleichzeitig geduscht wurde!!!!
Es gab in den meisten Häusern von Kathmandu KEIN fließendes Wasser!!!
Ich war fassungslos – und das war der Grund, warum ich schon ein fürchterlich schlechtes Gewissen bekam: unser Zimmer HATTE fließendes Wasser! Sogar warmes und kaltes!! Und hier drängten sich zig Menschen um EINE kleine Zapf-Quelle...

Die Häuser, die ich sah, waren aus Lehmziegeln gebaut, teilweise so verfallen, daß ich schon im Geiste die Baupolizei rief. Hier wohnten aber Menschen in diesen Behausungen, die bei einem schweren Regen sicherlich in sich zusammenfallen würden!
In meinem ganzen Leben habe ich noch nie so viel Armut auf einem Haufen gesehen!! Aber: die Menschen waren GLÜCKLICH!!! Und das wird mir immer in Erinnerung bleiben.

Unser Weg führte uns immer weiter Richtung Innenstadt und ich erhoffte immer noch ein geschwungenes M zu finden. Was ich fand, war eine Tankstelle: na und, werdet Ihr sagen, was ist da schon besonderes ´dran?
Diese Tankstelle bestand aus einem 200-Liter-Faß, welches ziemlich windschief auf dem Lehmboden stand. Die Handpumpe, mit der die AUTO dort den Treibstoff abpumpten, sorgte dafür, daß das ganze Gebilde hin- und herschwang, sich der Inhalt auch leicht verflüchtigte, weil der Rost bereits Löcher in den Deckel gefressen hatte. Der „Tankwart“ schien lebensmüde zu sein: eine halb aufgerauchte Kippe im Mundwinkel schmorte nicht nur fast die Oberlippe an, sondern wurde auch noch ziemlich dicht (für meinen Geschmack ZU dicht) mit dem Gesicht Richtung Faß geschoben, um den Inhalt des Tankes zu überprüfen. Ich suchte schnell das Weite....

Überall in Kathmandu kann man Rikschas mieten, die an einem Fahrrad gezogen über die „Straßen“ holpern. Die Fahrer dieser „Taxis“ schienen mir so dünn, daß eine Steigung genügt hätte, sie ohnmächtig von den Pedalen rutschen zu lassen. Ich überlegte, ob ich mir den Luxus gönnen oder lieber Rücksicht auf die Menschen nehmen sollte. Einerseits war es ihr Verdienst, andererseits auch ihre Gesundheit, die sie dabei auf´s Spiel setzten! Schließlich war ich gut genährte Europäerin sicherlich nicht einfach fort zu bewegen!
Wir ließen es sein, doch das hatte keine der o.g. Gründe, sondern war einfach in der Tatsache begründet, daß wir auf einen Markt kamen, auf dem hunderte von Händlern allerlei Waren anboten: Glasperlenketten in allen Farben, Wolldecken in allen Schattierungen, Schachspiele aus Holz, antike Dolche aus Silber, Kleider, die eindeutig second hand waren, in heißem Fett gebratenes Irgendwas.... Gewürze, rohes Fleisch, auf dem die Fliegen zu Scharen saßen...an einem Stand sah ich einen Fleischwolf, aus dem Spatzen die Reste pickten....erzähl mir noch einmal einer etwas über eine Hackfleisch-Verordnung!!
Das Lustigste, was ich gesehen habe, war ein Stand, an dem man Gebisse kaufen konnte!!! Wirklich, Ihr Lieben, echte Klapper-Männer, die sicherlich gleich vor Ort ausprobiert werden... ich wollte warten und hoffte auf Kundschaft in diesem Unternehmen...aber es tat sich nichts in dieser Richtung!

So gingen wir weiter und kamen auf den Platz, den man „Durbar Square“ nennt. Dieser Platz gleicht einen Marktplatz und er ist eingerahmt von tollen Häusern, die wieder Kulisse vom „Tiger von Eschnapur“ hätten sein können. Überall kann man kleine Schreine sehen, die mit Messing-, Kupfer oder manchmal sogar Gold beschlagen in der Sonne leuchten und einer Gottheit geweiht sind. Hier in Deutschland findet man häufig in Asien-Läden einen Gott, der den Kopf eines Elefanten hat: das ist Ganesh – einer der Hauptgottheiten in Nepal!
Heilige Männer, sogenannte Sadhus, sitzen überall herum und werden von den Menschen dort wie lebende Heilige geehrt: man bringt ihnen Essen und Trinken, obwohl man selbst kaum genug zum Überleben hat. Diese Sadhus sind meistens nur mit einem kleinen, lumpigen Lendenschurz bekleidet, um so ihre Armut zu demonstrieren. Sie haben das Leben in Armut gewählt, reisen durch das Land, um so irgendwann –so hoffen sie- die Erleuchtung zu finden. Wenn einige dieser Sadhus ziemlich schmutzig wirken, liegt es daran, daß sie sich mit der heiligen Asche eingerieben haben....oh man, einige sind WIRKLICH schmutzig!!!
Aber die Menschen verehren sie sehr, lassen sich von ihnen segnen und geben dafür, was sie können – manchmal sogar mehr.

« Letzte Änderung: Dienstag, 02. Oktober 2007 - 13:34:32 von Katja »

Offline Desinfector

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Re: Nepal Teil 1
« Antwort #1 am: Donnerstag, 27. September 2007 - 21:22:16 »
Ein schöner Bericht (Teil 1), der Lust auf mehr macht.

P.S.
Bei dem Satz mit den Gebissen hab ich ziemlich laut gelacht...
gravity sux!

Capitano

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Re: Nepal Teil 1
« Antwort #2 am: Donnerstag, 27. September 2007 - 22:16:11 »
Bin zwar nie in Nepal gewesen - gibt ja keinen Seehafen da - spüre aber beim Lesen  gleich wieder dieses Gefühl aus Neugier und Kulturschock, das ich immer hatte, wenn ich in Asien über die Märkte gebummelt bin.


Bernd

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Re: Nepal Teil 1
« Antwort #3 am: Freitag, 28. September 2007 - 12:10:39 »
Kaum versprochen und schon gelesen!

Ein Lob auch für diesen ersten Teil Deines Nepal-Berichtes:
Information + eigene Gedanken = Unterhaltung

Dein Schreibstil macht das Lesen leicht und erfreut mich.

Weiter so.

Katja

  • Gast
Re: Nepal
« Antwort #4 am: Dienstag, 02. Oktober 2007 - 13:41:57 »

An diesem besagten Ankunftstag fand ich KEIN geschwungenes M...aber ein hübsches kleines Restaurant, welches wohl eine Pizzeria sein sollte. Im ersten Stock eines Hauses, welches im Erdgeschoß einen Andenkenladen beherbergte. Leider fiel genau zu der Zeit der Strom in dem Viertel aus, wo meine Magensäfte sich ganz auf Pizza eingestellt hatten....ich sollte verhungern in diesem Land...

In einer Bäckerei fanden wir noch einige Brötchen, von denen wir (weil sie so preiswert waren) gleich mehrere einkauften. Am nächsten Morgen wollten wir nach Nargakot fahren: ca. 1,5 Stunden Fahrt von Kathmandu. Diesen Ort kennt man sicherlich nur deshalb, weil man von dort einen sagenhaften Blick auf einige der höchsten Berge der Welt haben kann – das wollten wir uns ansehen – und zwar beim Sonnenaufgang! Wißt Ihr, wann die Sonne im Himalaya aufgeht??? Ich wusste es nicht! Und was ich auch nicht wusste, war, WIE wir dorthin kommen sollten..... aber Brötchen hatten wir ja schon mal – und dank meiner Reisevorbereitungen auch einen Wasserkocher und löslichem Kaffee....

Den kochte ich morgens um 4! Ja, Ihr lest richtig: um 4 Uhr!!!! Mein Schwager hatte ein Taxi bestellt (es kostete ungefähr 10 DM damals), welches uns nach Nargakot bringen sollte. „Zieht euch bequeme Schuhe an!“ sagte er noch....was sollte DAS nun wieder???

Es war schweinekalt – allerhöchstens 5° und auf Winter waren wir garderobenmäßig wirklich nicht eingestellt! Aber sicher hatte das Auto eine Heizung? Das Zimmer hatte nämlich KEINE!

Ob ihr es glaubt oder nicht: mir lief der Schweiß schon nach ca. 5 Minuten – allerdings war es ANGSTschweiß!!! Dieses Auto war noch grottenschlechter, als das, welches uns vom Flughafen ins Hotel gebracht hatte. Ich saß auf der „verkehrten“ Seite, denn auch hier in Nepal herrscht Linksverkehr....natürlich nicht um diese Zeit – da herrscht gar kein Verkehr!

Dennoch sah ich ziemlich viel in dem spärlichen Licht, welches die Scheinwerfer ausstrahlten... Ausstrahlten??? Na ja, eines strahlte nach oben (vielleicht zum Eichhörnchen suchen in den Bäumen?) und das andere ab und zu einmal auf die Straße – aber nur dann, wenn ein Schlagloch den Wackelkontakt behoben hat.

Nargakot liegt ca. 2000 m über dem Meeresspiegel – angesichts der 6 – und 8.000er Berge dort sicherlich nicht viel! Aber die Steigung war wohl doch zuviel für das Auto...denn irgendwann hielt der Fahrer an, sprang schnell aus demselben...ich merkte ein Rumpeln (hoffentlich war er jetzt nicht von seinem eigenen Gefährt überrollt!!!!) und dann ging vorne die Haube auf!
Unser Fahrer holte aus dem Kofferraum einen Kanister mit Wasser und füllte mal eben so den Kühler nach – einen Deckel hatte der Kühler nicht, wahrscheinlich verloren.... Oh Gott, mit einem Stoßgebet zum Himmel (ich bin nicht GLÄUBIG!!) erkannte ich, daß der Fahrer vergessen hatte, die Handbremse anzuziehen! Hier am Berg!!! So wat von fahrlässig....mit einem beherzten Ruck zog ich also an dem Hebel....und haute beinahe meine Schwester hinten im Font K.O.!!! Es war gar kein Widerstand in diesem Hebel!!! Kein Ratschen und Knacken, wenn die Bremse greift!!!! Entsetzen überkam mich – schließlich saß ich VORNE!!! Ein Griff nach links zur Seite...in meiner bodenlosen Gutgläubigkeit wähnte ich dort einen Sicherheitsgurt...ging ebenso ins Leere! Okay, manche Menschen sterben eben jung!
Da ging die Haube zu, der Fahrer bückte sich noch einmal kurz, zerrte einen dicken Ast unter den Vorderreifen weg und die Fahrt ging weiter. Wer braucht schon eine Handbremse, wenn Mutter Natur doch für Ersatz sorgt. Ja, auf die Natur konnte man sich verlassen....

Wir erreichten Nargakot tatsächlich unbeschadet und es wurde langsam heller – allerdings war vom Sonnenaufgang noch nix zu sehen. Es war dieses Licht, welches da ist, und doch nicht richtig...wisst Ihr, was ich meine?? Es ist nicht hell und nicht dunkel, und trotzdem ist alles in ein diffuses Licht getaucht, welches sehr unwirklich anmutet. Nein, es war NICHT unheimlich – im Gegenteil- es war wunderschön anzusehen, wie die Farben sich von leicht grau in helles rot verwandelte und die Welt um uns in Zuckerwatte einzutauchen schien.

Ich setzte mich auf eine Mauer in die Richtung, die der Fahrer uns noch gezeigt hatte, während er das Auto wendete und davonfuhr....ich dachte nicht darüber nach, wie wir von hier oben wieder weg kommen sollten, sondern verfiel in tiefes Schweigen und harrte der Dinge, die da nun bald kommen sollten: der Sonnenaufgang über dem Himalaya!

Inzwischen waren noch ein paar andere Menschen aufgetaucht, und obwohl ich dachte, wir seien die einzigen Blöden, die sich zu so nachtschlafener Zeit aus den Betten quälten, wurde es um uns herum ziemlich voll. Eine Gruppe Japaner bauten mit Stativen und Ständern ihre Fotoausrüstungen auf. Es wurde fotografiert auf „Teufel komm´raus“, obwohl –außer dem „irren“ Licht- nicht zu sehen war.
Bevor noch ein kleiner zarter Schimmer von organge-rotem Licht ankündigte, daß es nun bald soweit sein musste, hatten diese Leute tatsächlich schon 3 Filme verknipst! Ich saß kopfschüttelnd auf meiner Mauer, verfluchte meinen Schwager schon das zweite Mal und kaute an einem nicht mehr ganz frischen Brötchen.... Plötzlich stieß mich jemand an: ein großer schwarzer Hund wollte, daß ich mir mit ihm das Brötchen teilte. Er hatte mich schon allein durch seine Größe schnell überredet! Plötzlich waren so ca. 15 weitere Hunde da und die restlichen Brötchen waren noch schneller verteilt ! Und ich hatte 15 neue Freunde! ;o))

Über dem gigantischen Gebirgsmassiv wechselte die Farbe nun in ein märchenhaftes Rot und es konnte nur noch Sekunden dauern, bis wir die Sonne sehen konnten....
Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie gespannt ich dort saß, unter jedem Arm einen Hund (schließlich waren sie doch warm - und wen störten schon ein paar Flöhe????-besser als Erfrieren!!) und als ich schon dachte: Jetzt, jetzt ist es soweit, kam wie durch Zauberhand Nebel auf! So schnell habe ich das noch nie erlebt! Ohne Ankündigung wurde die Suppe dichter und dichter und statt eines Sonnenaufganges hatten wir eine riesige Nebelwand vor unseren Augen.

Auch daran war mein Schwager schuld! Bestimmt!!! Ziemlich verärgert fragte ich dann, wie wir nun wieder in die Stadt kämen.... na ja, zu Fuß – wie sonst!
Ich bekam fast einen Anfall!!! Ich, die NIEMALS NICHT irgendwo zu Fuß hingeht (außer zum Schaufenster begucken!) sollte jetzt die 40 km nach Kathmandu zurück LAUFEN???? Neee, das war sicherlich nur ein Scheiß-Scherz!!!
War es nicht! Ich steckte die Hände in die Taschen und folgte dem Führer, der uns als Gruppe wieder ins Tal bringen sollte. „Two hours“ sagte er....Wie 2 Stunden??? Wir haben mit dem Auto 2 Stunden gebraucht!! Wo sollte es hingehen???? Wieso rannte dieser Kerl eigentlich so?? Ich war im URLAUB und nicht auf der Flucht!!!
Nach 3,5 Stunden hartem Fußweg über Stock und Stein, auf welchem wir keiner Menschenseele begegnet sind, winkte uns der Führer nett und lächelnd zu und verschwand im Nichts!!! Er zeigte zwar noch in die Richtung, in welche wir gehen sollten, erklärte noch, die Straße (welche STRASSE????) macht nach einer Meile einen Knick (ist eine Meile nicht etwas mehr als 1,6 km????) und wir sollten ihr folgen...

Mein einziger Hoffnungsfunken, jemals aus dieser Öde herauszukommen, stieg wie eine Gemse einen Berg hoch und verschwand inter der Kuppe! Ich wollte hinterher – schreien, NIMM MICH MIT!!!- aber meine Stimme versagte. Ich war allein mit meiner Schwester und meinem Schwager (dem ich immer noch nicht verziehen hatte und wieder verfluchte!!) und der Sonne, die nun ziemlich kräftig vom Himmel schien. Mein Schwager erklärte, er wäre schon einmal hier gewesen und kenne den Weg! Ich glaubte ihm kein Wort, denn es sah für mich alles so gleich aus! Geröll, ab und zu ein Büschlein, Sand, Steine.....weites NICHTS mit Hügeln und Bergen!
Ja, dem lieben Gott- wenn er denn im Himmel wohnt – war ich schon verdammt nahe!! Aber mal ehrlich – ich fühlte mich zu jung zum Sterben! Deswegen also bequeme Schuhe!! Aber hatte irgendjemand etwas von Nahrung gesagt??? Ich hatte Kohldampf bis unter beide Arme – frische Luft macht hungrig – und nirgendwo eine Imbiß-Bude, ja noch nicht einmal ein Busch mit Beeren.... survival-training pur! Oh, ich war wütend!!!!

Und wahrscheinlich war es diese Wut, die mich immer weiter vorantrieb! Immerhin sah ich am Horizont einen Schornstein – Anzeichen für Zivilisation – aber es hätte ja auch eine Fata Morgana sein können!

Ehrlich – was sich jetzt sicher ganz lustig anhört, war für mich die Hölle! Ich HASSE es, grundlos die Botanik platt zu trampeln – ohne zu wissen, wie lange ich noch laufen muß! Es waren Stunden.... und so hatte ich irgendwann einfach die Schnauze so gestrichen voll, daß ich mich setzte und nicht mehr weitergehen wollte, weil nix, aber auch absolut GAR NIX mich dazu bewegen wollte, noch jemals einen Fuß vor den anderen zu setzen!!

Während ich so allein dort saß (meine Verwandtschaft ist tatsächlich weitergegangen!!) sah ich durch das Buschwerk eine Straße!!! Wirklich – eine echte Straße!!! Kinder, war DAS ein schöner Anblick!!! Wo es Straßen gab, gab es Autos, wo es Autos gab, gab es Menschen, wo es Menschen gab, gab es etwas zu Essen..... DAS beflügelte mich!

Und was soll ich sagen, ein paar hundert Meter weiter fanden wir eine BUSHALTESTELLE!!! Dieser „Bus“ entpuppte sich als das, was ich schon einmal im Fernsehen gesehen hatte: in einem Krimi brannte einmal ein Kastenwagen aus! Als er gelöscht war, sah er so aus, wie das, was ich jetzt erblickte!
Holzbänke waren darin, der Reserve-Reifen lag einfach in der Gegend rum. Ich setzte mich darauf – denn es schien mir sicherer, als diese Bänke....

Außer uns hatten es sich noch ca. 10 Frauen dort bequem gemacht – eine hübscher als die andere! Sicher wollten sie zu einer Schönheitskonkurrenz, denn ihre Kleider waren farbenprächtig und wunderschön. Eine Frau zog ihr Baby vor, stillte es unter dem heftigen Geschnatter ihrer Freundinnen. Nein, sie wollten zum Markt nach Bakthapur!

Dort wollten wir nicht hin, wussten aber, daß von Bakthapur aus ein anderer Bus Richtung Kathmandu fuhr.

Nein, es war nicht das „verwegenste“ Gefährt, in dem ich je gesessen hatte....DAS sollte erst noch kommen.
Am Umsteigebahnhof zeigte uns ein Mann das Gefährt, mit welchem wir noch die letzten 15 Km fahren sollten... Einen Elektro-Bus!!!!
Kein Witz! Es war ein Bus, der wie eine Straßenbahn mit einer Oberleitung verbunden war! Nur die Schienen fehlten.! In Gedanken malte ich mir aus, wie es wäre, wenn eine Kurve zu schnell genommen wird, ein Eselkarren den Weg blockierte und ein Ausweichmanöver erforderlich wurde.... Nein, ich verbot mir, weiter darüber nachzudenken, denn als ich uns im Geiste den steilen Abhang herunter trudeln sah..., wurde mir übel..
Aber besser als Laufen war es schon, oder? Meine Füße fühlten sich an, als wäre ich über glühende Kohlen gelaufen – barfuß! Und noch ein paar Kilometer würden sie sicherlich nicht aushalten... Also versuchte ich es mit Meditation – schließlich waren wir in einem sehr mentalen Land....

Wir erreichten Kathmandu unversehrt – was ich nur der „göttlichen Nähe“ zuschrieb.... sollte ich noch gläubig werden in Nepal???

Katja

  • Gast
Re: Nepal
« Antwort #5 am: Montag, 15. Oktober 2007 - 13:23:30 »
Wir machen einmal einen Sprung ...und schließen mit dem Weitergang der Geschichte nicht dort an, wo die letzte aufhörte.

An einem Tag machten wir einen Ausflug nach Bhaktapur. Diese Stadt „wimmelt“ nur so von Heiligtümern für die verschiedensten Gottheiten, deren Aufzählung ich mir an dieser Stelle schenke, weil ich sie zum Teil nicht schreiben kann und zum anderen auch gar nicht mehr alle behalten habe. Was mir allerdings in Erinnerung geblieben ist, ist die Kumari von Bhaktapur.

Dazu muß ich ein bißchen ausholen und Euch erzählen, was eine „Kumari“ eigentlich ist.

Die Legende erzählt, daß einmal ein König mit einer Göttin ein Würfelspiel gespielt hat, als ihn –weil die Göttin so hübsch war – ein zärtliches Bedürfnis überkam (nett ausgedrückt, oder?? pure „Anmache zum Abschleppen“ würde man es heute wohl nennen!) Aber damals waren es eben zunächst die Gedanken, dann ein Angebot, welches die Göttin ziemlich echauffierte und sie sich in Luft auflöste. Allerdings tat sie das nicht ohne zu versprechen (oder zu drohen?), nur noch in Gestalt einer Jungfrau auf die Erde zurück zu kommen.

Von diesem Zeitpunkt an wurden junge Mädchen aus einer bestimmten Kaste ausgewählt, um als Reinkarnation der Göttin auf der Erde zu sein; diese nennt man „Kumari“. Ab dem Alter von 2 – 4 Jahre werden sie also als Gottheit verehrt und zwar so lange, „bis zum ersten Blutstropfen“ – das muß ich nicht erklären, oder!
Und eigentlich möchte ich euch die Grausamkeit dieses Ritus´ ersparen, aber es zeigt, welche Macht die Religion immer noch in diesem Land hat:

Das Kind (wie gesagt im Alter zwischen 2-4 Jahren!!) wird getestet: es muß furchtlos die Opferung von 108 Büffeln und 108 Ziegen (108 ist eine heilige Zahl) erleben, um als Kumari wie eine Göttin verehrt zu werden. Dann – und nur dann – darf sie für die Zeit bis zum ersten Blutstropfen in einem Palast wohnen , ganz in rot gekleidet, mit göttlichen oder königlichen Insignien ausgestattet.
Ihre Haare werden in einem Knoten oben auf dem Kopf zusammen gebunden, ihre Augen werden stark mit Kajal geschminkt (ein schwarzer Strich bis zur Schläfe hoch) und das unbeschwerte Leben eines Kindes ist vorbei.
Sie wird mit dem Respekt behandelt, mit dem die Menschen auch einer Göttin begegnen würde – muß sich aber genauso würdevoll benehmen.
Was soll so ein Kind nun für Aufgaben übernehmen?
Nun, es ist ziemlich einfach – oder auch nicht: sie hat die Gläubigen zu empfangen, deren Huldigung entgegennehmen. Je nachdem WIE sie das tut, werden ihre Gesten gedeutet: streicht sie sich lächelnd das rote Tuch aus der Stirn, wird der Huldigende erfolgreich und glücklich; verzieht sie ihr Gesicht runzelnd, wird ihm ein Unglück zustoßen...
Zum Fest Indra-Jatra wird die Kumari dann in einer Sänfte durch „ihre“ Stadt getragen (jede größere Stadt hat ihre eigene Kumari!) und ihr zu Ehren wird eine Ziege geopfert. Die Gläubigen der Stadt werfen der Kumari dann Münzen, Blumen und Reis zu ....das ganze dauert 3 Tage und soll das Unheil der Anwohner dort vertreiben.

Ja, und was ist mit dem Kind, wenn es dann die erste Menstruation bekommt??? Genau DAS hat mich fassungslos gemacht:
NICHTS!!! Und eigentlich noch mehr, denn die Kumari hat während ihres privelegierten Daseins als „Göttin“ keinerlei Schulbildung genossen und sich sehr an ihren Luxus gewöhnt – nun hat sie GAR NICHTS mehr! Einmal im Jahr, anlässlich des Indra-Jatra-Festes treffen sie, die ehemaligen Göttinnen auf der Erde, sich noch einmal zum Festmahl....das war es!

Nun kamen wir gerade nach Bhaktapur, als die Kumari auf ihrer Sänfte durch die Stadt getragen wurde. Ich hätte heulen können, denn mein Herz ging auf für dieses Kind, welches in unglaublicher Disziplin dort in den goldenen Kissen saß – nicht älter als 5 jahre hätte sie sicher lieber mit gleichaltrigen gespielt.... in Armut zwar, aber es wäre kindgerecht gewesen... mit welcher Ruhe und Gelassenheit dieses kleine Geschöpf die Pflichten ertrug, war für mich faszinierend und abstoßend zugleich.
Ich kann mir kein Urteil darüber erlauben, aber eine Erklärung oder besser Rechtfertigung dieser Riten für uns Europäer ist sehr schwer zu finden.

Die unglaublich vielen Tempel und Heiligtümer ware allesamt so reich verziert und goldgeschmückt, daß die Armut um uns herum nur noch größer erschien. Ich achtete nicht mehr auf das, was um mich herum passierte – ich war mit meinen Gedanken bei der kleinen Göttin, die sich so still und ruhig ihrem Schicksal ergeben hatte.



Katja

  • Gast
Re: Nepal
« Antwort #6 am: Donnerstag, 01. November 2007 - 16:19:42 »
Ein weiteres Highlight dieser Reise war ein Besuch in der größten und eindruckvollsten Tempelanlage Kathmandus: Pashupatinath.

Direkt am Fluß Bagmati gelegen, der zu dieser Zeit nur äußerst wenig Wasser führte, liegen große Teile der Anlage auf einem Hügel. Dort oben wohnt in seiner Steinhütte der Milk Baba, ein alter Sadhu (heiliger Mann), von dem gesagt wird, er hätte sich sein ganzes Leben nur von Milch ernährt....wer glauben mag?!



Jedenfalls bringen ihm die Gläubigen jeden Tag Milch, damit er seine Nahrung erhält. Alles, was er nicht selbst ge-/verbraucht, bekommen die ärmsten der Amren in seinem Umfeld.
Und davon gibt es sehr, sehr viele: ich habe schon sehr viele bettelnde Hände gesehen, aber noch niemals so viele, von denen die Lepra Finger hat abfaulen lassen!

Ja, es gibt dort noch Lepra – und neben den Menschen haben auch die Tiere dort merkwürdige Ekzeme, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte.
Hunde, die sich ihr Fell abgekratzt haben, weil die Flöhe darin „wohnten“, Katzen, die so mager waren, daß ein Windstoß sie umgepustet hätte.

Ich ging in einen „Supermarkt“, um Flohpulver zu kaufen....man bekam es – allerdings nur für die Menschen! Dieses Zeug war aber so giftg, daß ich es den Tieren nicht antun wollte, sie damit von ihren Plagegeistern zu erlösen.

Ich erzählte Euch ja schon zu Beginn, daß sich „Shoe shine“ als unser Reiseführer ernannt hatte. Um Shoe shine eine Freude zu machen, nahm ich ihn mit in einen Supermarkt, um ihm Bonbons oder Schokolade zu kaufen.


Dieser kleine Junge hat mich zum Weinen und zum Lachen gleichzeitig gebracht, denn er bat mich, ihm statt der Bonbons doch lieber Milchpulver zu kaufen, denn er hätte eine kleine Schwester und die Mutter wäre bald weg; sie müsste nach Indien, eine kranke Tante lebte dort, und er und sein Vater müssten die Kleine satt bekommen.

Bei diesen Worten griff er sich grinsend an die nicht vorhandene Mutter-Brust.... Ich kaufte sämtliche Milchpulvervorräte dieses Marktes auf (ALLE Packungen waren vom Haltbarkeitsdatum her ABGELAUFEN!!) – das interessierte Shoe shine überhaupt nicht! Seine Augen leuchteten, als wenn an diesem Tag Weihnachten, Ostern und alle anderen hohen Feiertage auf einmal angefallen waren....obendrauf erhielt er natürlich doch noch seine Tüte mit Bonbons.

DAS erwies sich als großer Fehler, denn kaum aus dem Markt herausgekommen, musste mein kleiner Freund sich vor ca. 20 süßigkeitsfanatischen Kindern wehren. Er lief, was das Zeug hielt, aber nur um eine halbe Stunde später wieder ganz dicht an meiner Seite zu sein und diese nur zu verlassen, als wir in die Hotelanlage gingen – hier durfte er nicht herein: ein Wächter ließ es nicht zu!

Ich hätte sehr viel darum gegeben, diesen kleinen Kerl einfach mitzunehmen – doch er war in seinem zarten Alter schon ein Teil der Familienversorgung. Ich hätte, hätte ich ihn „einfach mitnehmen können“, seiner Familie die Lebensgrundlage genommen.

Zurück zu Pashupatinath: als wir dort ankamen, erlebten wir, wie eine Beisetzung vorbereitet wurde.
Hierzu müsst Ihr wissen, daß in Nepal die Verstorbenen am gleichen Tag, in der gleichen Stunde ihres Ablebens verbrannt werden.

Nun sahen wir, wie ein mächtiger Holzhaufen aufgeschichtet wurde. Ich dachte mir zunächst gar nichts dabei, denn der Haufen wurde teilweise mit angekohlten Holzstücken, die aus dem Fluß gezogen wurde, aufgebaut.

So hatte ich eher eine „große Aufräumaktion“ im Sinn. Erst als sich Unmengen europäische, asiatische Schaulustige mit ihren Videokameras bewaffnet dort aufbauten, ein weinender Mann mit einem ebenso tränenüberströmten Jungen auftauchte, war mir klar, daß wir uns mitten in den Vorbereitungen für eine Verbrennung befanden....ich wollte dort weg!

Tod und Traurigkeit und auf der anderen Seite die Taktlosigkeit einiger Mitmenschen waren nichts für meine auf Urlaub eingestellten Antennen. So ging ich auf den Hügel, um Milk Baba zu suchen und die Affen dort mit Früchten zu füttern.

In der ganzen unglaublichen Armut, Ihr Lieben, habe ich NUR lächelnde, zufriedene Menschen gesehen – alle waren von einer tiefen Gläubigkeit erfüllt, daß ich fast eine strahlende Aura um sie herum wahrnehmen konnte.

Ich schämte mich für meine Arroganz, weil ich einen McDonalds suchte, dafür, daß ich das Hotel als „Absteige“ bezeichnete, dafür, daß ich eine Zwangs-Diät vermutete, als der Strom ausfiel....ich schämte mich so sehr für meine Gedanken über die „schmutzigen Menschen“, die in ihren zerlumpten Kleidern auf der Straße saßen und bettelten.
Und auf einmal war es gar nicht mehr schmutzig, schrecklich und abartig. Ich sah die Gesichter der Menschen und spürte, daß sie etwas besaßen, was ich so wie sie noch nie erlebt habe: Zufriedenheit!

Während wir es gewohnt sind, alles immer perfekt aufeinander abgestimmt zu bewältigen, in Sicherheit unsere Kinder großziehen und versorgen können, ihnen eine soziale Absicherung in Form einer Ausbildung mit auf den Weg geben, einen Job haben, finanziell einigermaßen gut dastehen....diese Menschen haben NICHTS von dem und sind trotzdem ZUFRIEDEN!!!

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Unweit von Patan kamen wir auf einem Ausflug einmal in eine Stadt, in der wir vor einer alten Tempelanlage Rast machten und am nahegelegenen „Kiosk“ etwas zu trinken kauften.

Zwei kleine Mädchen verkauften dort handgearbeitete Taschen – und obwohl ich keine brauchte, kaufte ich zig davon (schließlich freut sich ja Zuhause jeder über ein Souvenir, oder?) . Dieses „großartige Geschäft“ veranlasste die Mädchen, sich am selben Kiosk ein Stück Kuchen zu kaufen, welches sie in unserer Nähe dann teilten und aßen – nein, falsch: sie genossen ihn!

Ich blickte immer wieder lächelnd zu ihnen herüber und auf einmal kam eines der Mädchen mit dem Kuchenpaketchen auf mich zu und bot mir an, diese Köstlickeit zu versuchen! Gut, daß ich eine Sonnenbrille aufhatte, denn diese Großzügigkeit ließe meine Tränen wieder sprudeln. Natürlich kostete ich – gab ihnen meine Cola als „Gegeneinladung“ und wir „unterhielten“ uns mit Händen und Füßen.

Auch diese Namen habe ich vergessen und ich könnte mich immer noch dafür ohrfeigen.... aber das Lächeln dieser beiden süßen Mädchen werde ich nie vergessen!

Die „Tempelanlage“ erwies sich als eine Art Altenheim, in dem sich alte Menschen zusammentaten, um ihren übrigen Familienmitgliedern nicht mehr zur Last zu fallen.

Im Eingang zu dem Komplex hatten sich mehrere Affen niedergelassen und mein erster Eindruck war, daß es sich hierbei vielleicht um eine Art „Auffangstation“ für diese Tierchen handeln könnte.....ich bin so etwas von blöd gewesen!!!!

Die Affen und die alten Menschen dort bildeten eine Art „Zweckgemeinschaft“, denn die Affen lebten von dem Kärglichen, was die Menschen übrig ließen und dafür hielten die Affen die Anlage müllfrei!

Als ich darüber nachdachte, wie sich hier wohl das Zusammenleben finanziert, sah ich, wie eine ärmlich gekleidete, aber unglaublich hübsche Frau einen Korb brachte, indem sich eine kleine Menge Obst und Gemüse befand. Diese überreichte sie mit einer leichten Verbeugung einer alten Frau, die ihn nahm und wegtrug. Noch niemals habe ich einen Menschen gesehen, der mit so viel Anmut und Grazie und würdevoll ein Almosen entgegennahm!

Eine Kiste im Eingangsbereich entpuppte sich als Spendenbox, in der ich einen großen Teil meines nepalesischen Geldes ließ, mit welchem ich noch Einkäufe machen wollte.

Heute frage ich mich, wie ich dieses Elend der Menschen und das der Tiere überhaupt ausgehalten habe. Ich weiß es nicht!!

Aber eines weiß ich: es hat mich unglaublich nachdenklich gemacht. Ich will nicht behaupten, ich wäre ein „besserer Mensch“ geworden nach meinem Besuch in Nepal, aber ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß ich einige Dinge nun aus einem anderen Blickwinkel betrachte.

Ganz besonders trifft das darauf zu, wenn ich immer wieder höre, daß es den „armen Tieren dort“ doch so schlecht geht. Ja, es geht ihnen wirklich alles andere als gut – aber die Armut der Menschen dort ERLAUBT ja gar nicht, daß sie sich um das Wohl der Tiere kümmern.

Wer kein Geld hat, um sich und den Kindern etwas zum Essen zu kaufen, verfügt ganz sicher nicht über die Mittel, mit einem Tier zum Arzt zu gehen. Ein Aspekt, den ich erst selbst mit eigenen Augen sehen musste, um ihn anzunehmen.....

Ich empfehle JEDEM, nach Nepal zu fahren, um sich dort „läutern“ zu lassen; all diejenigen, die mit ihrem Leben und ihrer Umwelt unzufrieden sind, werden erkennen, wie reich wir doch sind; unsere Unzufriedenheit ergibt sich m.M. nach immer durch das Streben nach mehr....während die Menschen in Nepal aber mit dem bloßen Überleben zufrieden sind....

Ich mag dieses Land, finde den Dreck nicht mehr schlimm, auch nicht, daß es dort keinen Mc Donalds gibt, habe sehr gut dort gegessen, als ich meine europäischen Ansichten von einer sauberen Küche abgelegt habe, habe in die glücklichsten Gesichter der Welt gesehen und ein bißchen von ihrer menschlichen Wärme mitgebracht....

So, Ihr Lieben, es gibt bestimmt noch die eine oder andere Begebenheit, die ich Euch aus Nepal berichten könnte: zum Beispiel, wie ein Polizist einen Mann in einer Telefonzelle in Arrest genommen hat, oder Shoe shine unsere sämtlichen Schuhe bekam, als wir abreisten, oder wie wir abends im Hotel die Bar leer getrunken haben.... aber ich denke, Ihr habt auch so einen Einblick bekommen in dieses wundervolle Land auf dem Dach der Welt.

egmont

  • Gast
Re: Nepal
« Antwort #7 am: Freitag, 02. November 2007 - 08:43:55 »
Es war schön den Reisebericht über Nepal zu lesen. Danke dafür.
Meine Welt ist es aber nicht in solche Länder zu reisen. Ich ziehe es vor in Gegenden zu fahren, die wirtschaftlich auf unserem Niveau liegen. Dort kann man dann ungestört herumreisen. Im Urlaub muss ich mir nicht noch Elend und Armut ansehen.
Meine Eindrücke sind aber sicher nicht so intensiv wie bei deinen Reisen.

Katja

  • Gast
Re: Nepal
« Antwort #8 am: Freitag, 02. November 2007 - 09:45:08 »
Es war schön den Reisebericht über Nepal zu lesen. Danke dafür.
Meine Welt ist es aber nicht in solche Länder zu reisen. Ich ziehe es vor in Gegenden zu fahren, die wirtschaftlich auf unserem Niveau liegen. Dort kann man dann ungestört herumreisen. Im Urlaub muss ich mir nicht noch Elend und Armut ansehen.
Meine Eindrücke sind aber sicher nicht so intensiv wie bei deinen Reisen.


Egmont, meine Welt war es auch nicht ;) - vor Nepal mußten es mindestens 4 Sterne sein, und bitte nach Möglichkeit auch keine Ablenkung durch Armut, Schmutz, Krankheiten von meinem wohlverdienten Urlaub, am besten in einer Anlage mit allen westlichen Annehmlichkeiten. 

Ich weiß nicht, ob ich es noch einmal machen müßte... wahrscheinlich eher nicht! Doch es war eine tolle Erfahrung, die ich versucht habe, durch diesen Reisebericht 'rüber zu bringen.

Da gäbe es noch Indien, was nach Berichten von Menschen, die beide Länder kennen, noch ärmer, noch schmutziger, noch kranker sein soll, als Nepal.
Es würde mich schon reizen... doch wenn als Alternative zu einem Reiseziel Indien noch z.B. Neuseeland oder Australien stehen würde, könnte wohl die Wahl eher auf Australien fallen ;)

Nur gut, daß ich gerne Zuhause bin, auch aus logistischen Gründen gar nicht mehr weg kann ;) - so "behandel" ich mein Fernweh mit den Erinnerungen.