Autor Thema: Werden die Fußballfans verkauft?  (Gelesen 1478 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Patrick

  • Gast
Werden die Fußballfans verkauft?
« am: Dienstag, 15. November 2005 - 04:24:28 »
Für den sportlichen Erfolg verkaufen immer mehr Fußballvereine ihre Tradition an Geldgeber á la Abramowitsch. Und vergraulen damit ihre bisher treue Anhängerschar. Worauf muss sich der deutsche Fan eventuell bald einstellen? Wird "sein" Club gekauft und in kleineren Stückchen gewinnbringend aufgelöst? Oder "nur" aus angeblicher Finanznot umbenannt? Aus dem Hamburger SV wird dann schnell mal der SV Red Bull Hamburg. Oder gar noch schlimmeres? Negative Beispiele gibt es genug.

Die verkaufende Vereinsführung denkt dabei meist nur an ihren eigenen Geldbeutel, so scheint es. Was der Fan möchte, oder der geneigte Zuschauer, das bleibt völlig unberührt. Beim FC Chelsea, dem Club von Roman Abramowitsch, geht es bislang gut. Dem sportlichen Erfolg und den bisher nicht erfolgten tieferen Einschnitten im Umfeld sei Dank. Außerdem ist Abramowitsch bekennender Fußballfan. Was ihm einen gehörigen Sympathiebonus einbrachte.
Andere Clubs, vielmehr die Fans, machen da schon schlimmeres mit. Malcolm Glazer, Mehrheitseigner von Manchester United, kann das eigene Stadion nur in Begleitung einer Armee betreten. Die Getreuen des Clubs verweigern ihm das Gefolge und stemmen sich vehement gegen ihn. Aus Angst, er könnte den Verein nur zur Geldmacherei missbrauchen und am Ende eine finanzielle Ruine hinterlassen. Schließlich sei er auch nicht wirklich an diesem Sport interessiert. Was die Auswahl nach seinen Beweggründen zum Kauf des Clubs klarere Konturen zu verleihen scheint.
Ähnlich sieht es in Österreich, bei Red Bull Salzburg, aus. Etliche kleinere Ösi-Clubs verkauften ihren Namen schon vor längerer Zeit an größere Unternehmen, wie der neue Name des FC Untersiebenbrunn, "FC interwetten.com", deutlich beweist. Doch bisher bewahrten sich immerhin die Topclubs davor. In diesem Jahr aber wurde aus dem traditionsreichen Verein Austria Salzburg der SV Red Bull Salzburg. Doch allein dabei blieb es nicht. Die Trikotfarben wurden vom traditionellen violett-weiß in die Unternehmensfarben von Red Bull, rot-weiß, geändert. Damit nicht genug. Ursprünglich sollte sogar das Gründungsdatum auf 2005 geändert werden, da Red Bull einen neuen, eigenen Club präsentieren wollte. Dies scheiterte aber zum Glück an den Statuten des ÖFV. Zudem prangen nun auf dem ehemaligen Vereinswappen zwei Rote Bullen. Wie auf den Getränkedosen.

Und die Fans? Sie kamen zu den Spielen, wie üblich, in den ursprünglichen Vereinsfarben, fanden damit aber keinen Einlass. Der Verein wünscht so etwas nicht, so die Begründung. Auf den kostenlos vor dem Stadion verteilten neuen Fanartikeln blieb Red Bull sitzen. Denn diese wünschten die Fans nicht.
Red Bull machte sich sogar die Mühe während (!) des Spiels eine Lightshow zu präsentieren und die Partie, welche auf zwei Großleinwänden innerhalb (!) des Stadions übertragen wurde, vom Stadionsprecher live kommentieren zu lassen. Doch zum einen setzte der Schiedsrichter diesem Vorhaben ein baldiges Ende, zum anderen war auch kaum jemand anwesend um dieses Ereignis zu erleben. Wie auch, wurde den Fans in ihren Trikots ja der Zutritt verwährt.

Red Bull Salzburg führt momentan übrigens die Tabelle in Österreich an und würde demnach als Meister nächste Saison in der Champions-League spielen. Die Frage ist nur, wen das bei den Austria-Fans dann noch interessiert?
Zumal sich auch der Trainer bei der Anhängerschaft nicht gerade gute Freunde gemacht hat. Kurt Jara, in Deutschland bekannt geworden durch seine Tätigkeiten beim HSV und dem FCK, hat als Angstellter des Vereins unmissverständlich klar gemacht, was die Führungsetage des Vereins von seinen (Ex) Fans hält. "Diese Fans gehen mir auf die Nerven. Die sind vor zehn Jahren noch in kurzen Hosen gegangen und reden von Tradition. Wenn sie einen violett-weißen Club wollen, dann sollen sie einen gründen." Soviel dazu...

Auch in Schottland hat man sich diesem Trend angeschlossen und mit Wladimir Romanow einen neuen, millionenschweren, Besitzer. Noch ist man in der Fangemeinde hin und her gerissen. Zum einen steht der beste Saisonstart seit 1914 und die Möglichkeit auf den ersten Meistertitel seit 45 Jahren. Zum anderen geht die Angst um, der Club könnte ebenfalls zum Geld schinden missbraucht und als kurzfristiges Investment ruiniert zurückgelassen werden. Herr Romanow ist hauptberuflich schließlich Bankier...

Zwar haben wir in Deutschland bereits zwei Retortenclubs in der Bundesliga, Bayer 04 Leverkusen und den VW, ähm, VfL Wolfsburg. Doch noch stehen dort an der Spitze der Vereine Männer mit Erfahrung im Fußballgeschäft und die Clubs dienen vornehmlich dem persönlichen Vergnügen der Unternehmen. Statt Geld herauszuholen werden Unsummen hineingepumpt. Doch wie lange noch? Dass die Stadionnamen an Großunternehmen verkauft werden gehört hierzulande mittlerweile schon zum Alltag. Aber womit geht es weiter? Heißt es auch demnächst in Deutschland: Herzlich Willkommen in der Premiere Bundesliga zum Spitzenduell SC Siemens Dortmund gegen betandwin.de Stuttgart! Und: Machen Sie mit bei unserem Gewinnspiel und tippen sie telefonisch auf den Sieger des heutigen Spiels, welches sie übrigens während unserer Dauerwerbesendung oben rechts im Split-Screen-Verfahren verfolgen können!

Der Fan scheint jedenfalls immer der dumme zu sein. Schon die möglichen Übertragungszeiten im Free-TV im Rahmen des neuen TV-Vetrages, der zur Zeit ausgehandelt wird, sorgen für reichlich Unmut bei den Fußballfans.

Wann hört dieser Wahnsinn endlich auf?