Ob ich jetzt die Strategie des Auissitzens von Kritik so sonderlich clever finde, weiß ich gar nicht. Ich finde es eher sehr fahrlässig, wie man mit der Situation umgeht, denn seitens des DFB hat man zum einen weniger und zum anderen die wesentlich schlechteren Argumente, beschränken sie sich doch auf die Erfolge in der Vergangenheit und ein stetes Bemühen der Bundestrainerin. Letzeres war wohl in der Schule schon ein eher vernichtendes Urteil.
Ich kann die Kritik und die Gegenargumente gerne nochmal wiederholen.
1. Man sollte zunächst mal analysieren, warum man in der Vergangenheit so erfolgreich sein konnte. Da waren nämlich, wie ich bereits schrieb, nur die USA, Brasilien, Deutschland und mit Abstrichen noch Schweden auf einigermaßen Niveau, da man in diesen Ländern den Frauenfußball schon sehr früh in ein professionelles Umfeld überführte. Der Rest war im Prinzip Fallobst, das man nach Belieben Abschießen konnte. Die Spitze im Frauenfußball ist aber breiter geworden und näher zusammen gerückt. Zudem dahinter lauern dahinter "hungrige" Nationen, die den Anschluss schaffen wollen.
Die Entwicklung hat man beim DFB, so deutlich muss man das wohl sagen, komplett verschlafen. Das Ergebnis der Heim-WM ist ja auch kein plötzliches und überraschendes Ereignis, sondern der Endpunkt eines schleichenden Prozesses, der auf dem Schlaf des DFB beruht. So war das Spiel des EM-Finales vor zwei Jahren bei weitem nicht so deutlich, wie es das Ergebnis vermuten lässt. Auch ließen die Testspiele, zumindest jene im letzten Jahr erkennen, dass die Mannschaft vor allem im taktischen Bereich erheblich Defizite aufweist (Dazu gleich), mit denen es auch bei einer Heim-WM sehr schwer werden wird. Die Quittung dafür hat man dann am Samstag bekommen.
2. Die Mannschaft weist im taktischen Bereich so erhebliche Defizite auf, dass es einen traurig stimmen muss. Man konnte nie das Gefühl haben, dass das Team in diesem Bereich auf das Turnier eingestellt war bzw. in diesem Bereich im Turnier ankam. Wenn man diese Mängel durch kraftvolles und aggressives Spiel ausgleichen will, muss man die nötige Kondition aufweisen. Das war aber auch nicht der Fall. Und das nach sage und schreibe drei (!!!!) Monaten Vorbereitungszeit, weshalb der Hinweis auf das Halbprofitum der Damen auch ins Leere läuft.
3. Wenn man 2-3 Leistungsträger nicht die nötige Form aufweisen, dann würde ich die Schuld nicht bei einem Trainer suchen, wohl aber wenn beinahe alle Leistungsträger in einem unerklärlichen Leistungsloch stecken. Auch hier sollte man darauf hinweisen, dass man drei Monate Zeit hatte, um sich ausgiebig auf das Turnier vorzubereiten.
4. Nicht nur im Spiel gegen Japan wurden eklatante Fehler gemacht, die am Samstag dann aber voll durchschlugen. Man kann ja verstehen, dass man die Stammkräfte wieder reinrotiert, nicht aber z.B. warum nach der Verletzung von Kim Kulig nicht sofort Lena Goeßling eingewechselt wurde, die gegen Frankreich neben Simone Laudehr ein sehr gutes Spiel machte. Stattdessen wurde die Aufstellung fast komplett über den Haufen geworfen, indem man Linda Bresonik ins defensive Mittelfeld stellte und Bianca Schmidt auf die rechte defensive Seite. Die Folge war, dass Bresonik vollkommen indisponiert über den Platz stolperte, diesen Fehler durch die Einwechslung von eben jener Goeßling korrigieren musste, sich so aber auf offensiv fast sämtliche Optionen nahm. Auch geht der Hinweis fehl, Bresonik würde im Verein ja auch im defensiven Mittelfeld spielen. Da hilft nur nichts, wenn sie diese Position in der Nationalmannschaft nur in den seltensten Fällen innehat und man zeitgleich auf eine sehr viel bessere Variante zurückgreifen kann.
5. Silvia Neid fehlt nahezu komplett die Einsicht zur Selbstkritik. Zwar erzählt sie, dass man hinterfragen müsse, um dann im selben Atemzug davon zu reden, sie habe sich nichts vorzuwerfen und sich in Konjuktiven zu flüchten ("Wäre das und das gegen Japan passiert, wäre mein weitergekommen.") Ist so etwas zielführend? Nein. Dass auch hier keine tiefergehende Fehleranalyse stattfindet, kann man schon darin erkennen, dass sich DFB und Neid schon vier Tage nach dem Aus auf eine weitere Zusammenarbeit verständigt haben. Das ist, sagen wir mal, Schritt 35 vor allen vorhergehenden 34 Schritten.
6. Ein absolut unverzeihbares No-Go ist das an explizite An-die-Wand-Stellen einer einzigen Spielerin nach dem Aus, nämlich Alex Popp. Wohlgemerkt ist diese Spielerin erst 20 Jahre alt, seit knapp einem Jahr Nationalspielerin und wurde in der Verlängerung eingewechselt, als der Rest des Team schon fast komplett eingelullt war. Das hat mit gutem Trainertum einfach nichts zu tun und ist menschlich unter aller Kanone.
Ich gehe aber davon aus, dass von diesem DFB-Präsidenten, der auf der Rangliste der schlechtesten Krisenmanager aller Zeiten sicherlich einen der vorderen Plätze einnimmt und der ansonsten auch eine ziemlich grausame Amtsführung aufweist, in dieser Sache nichts zu erwarten ist. Aber was will man schon von einem Fußballverabd erwarten, der 2004 Rudi Völler am liebsten weiter beschäftigt hätte, wäre der nicht zurück getreten.
Ein Blick vielleicht zum Verband der USA, sicherlich einer der weltweit fortschrittlichsten in Sachen Frauenfußball: Dort schied man bei der letzten WM - wohlgemerkt - im Halbfinale gegen Brasilien ziemlich kläglich aus. Dort kam es zu einer sinnvollen Fehleranalyse, an deren Ende der Trainer gehen musste und man einen Neuaufbau mit Pia Sundhage wagte. Das Ergebnis: Olympiasieg und jetzt WM-Finale.