Raus aus Afghanistan!

[Blubb]

Zugegebenermaßen ein etwas provokanter Einstieg in die doch relativ komplexe Thematik. Aber nach den gestrigen Veröffentlichungen auf Wikileaks, begleitet durch entsprechende analysierende Artikel in "New York Times", "Guardian" und "SPIEGEL", rechtfertigen eine erneute Diskussion, die bereits an anderer Stelle in diesem Forum stattgefunden hat.

Um was geht es?
 
Den Betreibern der Seite Wikileaks wurden ca. 90.000 Dokumente des US-Militärs zugespielt, die aus den Jahren 2004 - 2010 den Konflikt in Afghanistan dokumentieren. Teilweise sind die Unterlagen als "geheim" eingestuft (Hier, hier ausführlicher in Englisch und hier ein Artikel auf SpOn). Dringendst ist auch der Kauf des Spiegels dieser Woche zum empfehlen

Was steht drin?

Kurz gesagt ist es eine Dokumentation der Kriegsführung des US-Militärs und der Sicherheitssituation in ganz Afghanistan, also auch im "deutschen" Norden. Und das Bild, welches sich bietet ist beinahe katastrophal. Die Sicherheitslage verschlechtert sich von Tag zu Tag, der Bundeswehr bricht zusehends die Unterstützung weg, gegen die Aufständischen gibt es quasi kein Beikommen, Pakistan spielt ein doppeltes Spiel.

Welchen Schluss muss man daraus ziehen?

Eigentlich keinen anderen als einen sofortigen, mindestens aber so schnell wie möglichen Abzug der alliierten Truppen in Afghanistan. Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, dort ist nichts zu holen, man ist auf ganzer Linie gescheitert. Die radikalen Taliban gewinnen immer mehr an erheblichen Einfluss und erfahren einen Zufluss, den man kaum noch stoppen kann. Eine weitere Stationierung der Truppen zögert eine erneute Machtübernahme der Taliban allenfalls hinaus, verhindern kann man diese nicht.

Daher fordere ich hier: Raus aus Afghanistan!

[Katja]

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust:
eines will Dir, blubb, uneingeschränkt Recht geben - aus Angst, daß die Taliban NOCH stärker werden, als die letzten Nachrichten berichteten. Es ist zu befürchten, daß unsere Jungs, sowie die  Alliierten im Gnazen, dort nur noch Kanonenfutter sind. Dann schüttelt es mich, und ich sehe ganz, ganz schwarz.

Die andere Seite ist aber, daß der von uns selbst gestellte Auftrag nicht erledigt wurde. Es widerstrebt mir einfach, die Zivilbevölkerung auf Gedeih und Verderb (und letzteres ist wohl eher der Fall) einem Extremregime auszuliefern und  wegzusehen, die Schultern zu zucken und zu sagen: Na ja, wir haben es ja versucht!
Den Preis müssen wir dann ja auch nicht zahlen.

Dieser Krieg ist nicht zu gewinnen, dort ist nichts zu holen, man ist auf ganzer Linie gescheitert.

Ändere bitte 'dort ist nichts zu holen' in: es ist nichts mehr zu bewirken - denn 'holen' wollten wir dort nie etwas!

[Blubb]

Ändere bitte 'dort ist nichts zu holen' in: es ist nichts mehr zu bewirken - denn 'holen' wollten wir dort nie etwas!

Ich kann nicht mehr editieren. In dem von Dir genannten Sinne ist es auch gemeint.

[Capitano]

Katja, Du glaubts allen Ernstes, dass der Krieg und die anschließende Besetzung dort geführt wurde, um die Afghanen von dem Joch der Taliban zu befreien und ihnen die gute alte Demokratie zu bringen?

[Matze]

Als aller erstes. Die Bevölkerung in Afghanistan tut mir leid, sie muss eine Menge durchmachen.
Das sollte bei der ganzen Diskutation nicht vergessen.

Meiner Meinung nach müssen wir da aber schnellst möglich die Biege machen.

Da ging und geht es doch gar nicht um die Bevölkerung und das Land selber. Was aus Brunnen und Straßen bauen geworden ist, lesen und hören wir inzwischen jeden Tag. Tote und schwer Verletzte deutsche Soldaten. Meiner Meinung nach ein zu hoher Preis den "wir" zahlen, ohne das Krieg ist.
Da geht es nur um die Politik, keiner will den Amis als erstes in den Rücken fallen, obwohl es höchste Zeit wird. Die Baustelle haben sich die Amerikaner selber eingerichtet, sollen sie die doch auch alleine zu Ende bringen. Ales was denen in die Quere kommt, wird erstmal angegriffen, was übrig bleibt ist Choas und Verwüstung. Was ist den aus dem Irak geworden?
Warum will man in ein Land wo eine andere Mentalität und ein ganz anderer Glaube gelebt wird, einen westlichen Lebensstill einführen. Das klappt nicht, warum auch.

Das nächste was mich dermaßen aufregt ist die Ausrüstung unserer Soldaten. Sicherlich oft diskutiert, aber nie wirklich zu ende geführt. Keine Kampfpanzer dort einzusetzen ist dermaßen falsch, ich verstehe es nicht. Was unsere Panzer dort leisten können, bekommen unsere Soldaten täglich von den Kanadiern und Holländern gezeigt. Das muß derart demutivierend sein, ich würde nach Hause fahren.

http://www.youtube.com/watch?v=pERJTfdgrjg

Mit so einer Unterstützung im Rücken wären einige Aufgaben sicherlich leichter zu lösen, was die Gesamtaufgabe aber bestimmt nicht leichter macht.
Obwohl man auch zugeben muss, dass man so sicherlich schwerer das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen kann. Nur was nützt es, wenn es über Jahre anders auch nicht funktioniert hat.


Volksabstimmungen sind doch in Mode gekommen, warum führen wir so eine nicht durch. Politiker sind doch Vertreter des Volkes, sie sollen nicht für das stehen, was wir nicht möchten.

Gruß Matze

[Katja]

Katja, Du glaubts allen Ernstes, dass der Krieg und die anschließende Besetzung dort geführt wurde, um die Afghanen von dem Joch der Taliban zu befreien und ihnen die gute alte Demokratie zu bringen?

Ja, Capitano, das glaube ich. Ich will nämlich an die UN und deren wichtigsten Aufgaben glauben, die da u.a. wären: Schutz der Menschenrechte und der Völkerrechte und Sicherung des Weltfriedens.
Denn täte ich das nicht, würde ich wahnsinnig, weil die Sinnlosigkeit in dem Unternehmen vielleicht auch meinem Sohn das Leben nimmt, der im kommenden Februar nach Afghanistan geht. Er wird dort für GENAU DIESE DINGE seinen Hintern riskieren - und darum will ich das alles glauben!

[Capitano]

Ich glaube, dass den Soldaten, die dort in den Krieg ziehen bewußt gemacht werden sollte, dass sie dort nicht als Heilsbringer (Verteidiger der Menschenrechte, Sicherer des Weltfriedens)  eingesetzt werden. Denn das ist eine Lüge, mit der der Krieg moralisch gerechtfertigt werden soll. Kriege werden nicht aus diesen Gründen geführt, sonst müßten wir schleunigst z.B. auch in Dafur und anderswo Frieden und Heil stiften.

Ich wünsch Deinem Sohn von ganzen Herzen, dass er den Einsatz gut hinter sich bringt.

[Purple Joe]

Das nächste was mich dermaßen aufregt ist die Ausrüstung unserer Soldaten. Sicherlich oft diskutiert, aber nie wirklich zu ende geführt. Keine Kampfpanzer dort einzusetzen ist dermaßen falsch, ich verstehe es nicht. Was unsere Panzer dort leisten können, bekommen unsere Soldaten täglich von den Kanadiern und Holländern gezeigt. Das muß derart demutivierend sein, ich würde nach Hause fahren.

http://www.youtube.com/watch?v=pERJTfdgrjg

Mit so einer Unterstützung im Rücken wären einige Aufgaben sicherlich leichter zu lösen, was die Gesamtaufgabe aber bestimmt nicht leichter macht.
Obwohl man auch zugeben muss, dass man so sicherlich schwerer das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen kann. Nur was nützt es, wenn es über Jahre anders auch nicht funktioniert hat.


Volksabstimmungen sind doch in Mode gekommen, warum führen wir so eine nicht durch. Politiker sind doch Vertreter des Volkes, sie sollen nicht für das stehen, was wir nicht möchten.

Gruß Matze

Man kann einen Krieg nicht gewinnen wenn man diesen nicht einmal im eigenen Land als Krieg anerkennt.
Die Rolle der Politik ist auch hier mehr als kläglich.
was die truppe mindestens genauso sehr braucht wie eine den anforderungen entsprechende ausrüstung ist unterstützung und rückhalt in der öffentlichkeit nichts ist schlimmer als die frustration die sich breit macht wenn man aus dem einsatz heimkommt und ausgelacht oder beschimpft wird
ich respektiere vom Infanterie hauptmann bis zum feldlager koch JEDEN der seinen Beitrag im Ausland leistet.
weiterhin viel Glück und gesunde Heimkehr!
Kommentar von Schlecht auf dieses Video
http://www.youtube.com/watch?v=3OjEB-QOOA4

Was die Volksabstimmung angeht, das scheuen die Politiker mindestens genauso wie das Internet.
Hauptargument gegen den Volksentscheit und pro Parlamentarismus ist die Gefahr der Stammtisch-Politik. Keine Politik der Debatte sondern der Strasse.
Weiß nicht was schlimmer ist. Wenn man sich aber die FDP-Flitzpiepen in der Regierungskoalition anschaut, die eigentlich nur noch Politik für sich selber machen und Lügen das einem schlecht wird, das ist ja bestes Schmierentheater und da kann es am Stammtisch nicht schlechter sein  !

Dein Video idealisiert den Kampfpanzer als Ikone der Infanterie. Soweit ich weiß haben aber die Kanadier einen ganz anderen Part übernommen als die deutschen Truppen. Bei uns wären schwere Kettenfahrzeuge hinderlich. Denn unser Auftritt dort ist ja ein humanitärer Auftritt, so Kekse an Kinder verteilen usw da kommt es schlecht an wenn du mit einem LeoII mit einer 105mm Kanone um die Ecke kommst kann ich mir denken.
Ich glaube der Kommentar von "Schlecht" in Youtube sagt alles, oder ?
Und wenn unsere "Jungs" dann wieder Austattung brauchen sehe ich schon wieder die Politiker sich die Hände reiben und dann wird Verhandelt und Geschachert bis am Ende alles 4x soviel kostet als geplant und am Ende taugt der ganze Schrott nichts mehr da veraltet bevor es bei der Truppe ankommt. Der deutsche Michel ...
Da brauchts wie im WKII führende Leute die quasi über Nacht die Wirtschaft requirieren und Lösungen aus den Boden stampfen ... alles andere endet wie beschrieben.

Purple

[Paul Schrader]

Denn unser Auftritt dort ist ja ein humanitärer Auftritt, so Kekse an Kinder verteilen usw

... und die Erde ist eine Scheibe.

[Kuno]

"RAUS AUS AFGHANISTAN"


und zwar ALLE , ohne Wenn und Aber.....

[Blubb]

Die andere Seite ist aber, daß der von uns selbst gestellte Auftrag nicht erledigt wurde. Es widerstrebt mir einfach, die Zivilbevölkerung auf Gedeih und Verderb (und letzteres ist wohl eher der Fall) einem Extremregime auszuliefern und  wegzusehen, die Schultern zu zucken und zu sagen: Na ja, wir haben es ja versucht!
Den Preis müssen wir dann ja auch nicht zahlen.

Der ganze humanitäre Teil des Einsatzes gerät aber mehr und mehr in den Hintergrund. Mittlerweile geht es für die Soldaten der Bundeswehr und auch für die anderen Truppen ums nackte Überleben. Und da sollte man so schnell wie möglich beenden.
Wenn es darum geht ein erneutes Terrorregime der Taliban zu verhindern, so müsste man da bis zum Sanktnimmerleinstag bleiben. Die Afghanen können nicht selbst für ihre Sicherheit sorgen. Deren Polizei und Militär ist eine korrupte und demoralisierte Truppe. Die afghanische Regierung hängt nur noch am seidenen Faden, die allein durch die alliierte Unterstützung gehalten wird. 
   
Zudem stellt sich die Frage warum man überhaupt da ist. Vordergründig ging es ja wohl darum nach den Anschlägen in New York und Washington zurückzuschlagen. Völkerrechtlich ist dieser Angriff schon hochproblematisch, wenn nicht sogar verboten. Wenn es aber um einen Schlag gegen ein al-Qaida unterstützendes Regime ging, hätte man zwingend auch Pakistan angreifen müssen. Pakistan verfügt aber über Atomwaffen. Die Taliban waren also ein "dankbarer" Gegner, die man leicht überrollen konnte, wohl auch um zu zeigen, dass man noch handlungsfähig ist.
 

[Purple Joe]

Denn unser Auftritt dort ist ja ein humanitärer Auftritt, so Kekse an Kinder verteilen usw

... und die Erde ist eine Scheibe.

Na ja, schon klar, da hatte ich einen Smiley vergessen ... auch in meinen Augen ist das längst kein humanitärer Einsatz dort.
So gesehen hat die Linkspartei ja recht,die Freiheit der BRD und Europas wird nicht am Hindukusch verteidigt.

Zu meinem obigen Beitrag und den korupten Politikern fällt mir gerade noch ein das die jetzt ja enorm sparen wollen. Also darf man gespannt sein wie sich das entwickelt, ich denke mal negativ. Im Sinne der militärischen, Entschuldigung, humanitären Situation und im Hinblick auf die Austattungsmängel der Soldaten, die für uns alle dort die Freiheit verteidigen.
Lächerlich.
Umso mehr mutet mir die Sichtweise von Katja, auch wenn es die Sichtweise einer Mutter ist, naiv an. Einfach seinen Sohn ziehen lassen und auf ein besseres Weltbild hoffen das kann es ja wohl nicht sein. Nicht bei dieser Konstellation und diesen verlogenen Politikern.

Die 20 toten Raver hatten auch Mütter. Vermutlich. Die haben wohl auch geglaubt alles ist geregelt und paletti. Jetzt sind Sie tot und keiner hat Schuld.

Wäre ich mit meinem Sohn in Ihrer Situation würde ich alles dran setzen um es zu verhindern, das er für diese miese Politik noch mit seinem Leben einstehen soll. Alles.

Purple

[Kuno]

Lesen Sie auch Karl May Band 2 "Durchs wilde Kurdistan" 1892
                              und   Band 6 "Der Schut" 1892

Der wusste schon damals was dort los ist, obwohl er niemals dort war.

[Kuno]

Übrigens am kommenden Sonntag beginnen die Niederländer mit dem Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan.

[Capitano]