Autor Thema: Menschenrechte  (Gelesen 6109 mal)

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Katja

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Menschenrechte
« am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 07:54:02 »
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sollen nun 3 Schwerkriminelle freikommen, die eigentlich nach Verbüßung ihrer Strafe in Sicherheitsverwahrung bleiben sollten. Nachzulesen HIER

Wo bleiben also die Menschenrechte derer, die sich dann in Gefahr befinden, wenn diese Männer freikommen?

Mein Rechtsempfinden ist (wieder einmal) stark irritiert. Vielleicht kann jemand von Euch dafür eine Erklärung finden?


Paul Schrader

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Re: Menschenrechte
« Antwort #1 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 08:09:14 »
Rein sachlich erklärt ist das so: Als die Täter verurteilt wurden (vor 1998), galt eine Begrenzung der Sicherungsverwahrung auf 10 Jahre. Diese maximale Zeit gilt seit 1998 nicht mehr und kann nicht so ohne weiteres für die Urteile von damals angewendet werden, entschied der EGMR (was rein formal auch Sinn macht, ob es in diesem Fall jedoch sinnvoll ist, sei dahingestellt).

Der Vergleich hinkt zwar etwas, verdeutlicht aber die juristische Zwickmühle: Wenn Du 1998 im Halteverbot geparkt hast und dafür 10 Euro bezahlt hast, es inzwischen aber 20 Euro kostet, kannst Du im Nachhinein dafür keine Rechnung über die Differenz bekommen.
« Letzte Änderung: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 08:22:26 von Paul Schrader »

ae8090

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Re: Menschenrechte
« Antwort #2 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 08:53:35 »
ich bin damit auch mehr als unzufrieden, aber trotzdem gilt:

nulla poene sine lege

wobei die Definition des Europäischen Gerichtshofes, die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Strafe zu einzuornen, aus meiner Sicht fragwürdig ist. Hier geht es nicht um Strafe, sondern um Schutz. Zuallererst um den Schutz eines Menschen vor sich selbst, vor dem, was er in sich offenbar nicht steuern kann.
Diesen Schutz dieses Menschen vor sich selbst versagen die Richter den Betreffenden

Schmarni

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Re: Menschenrechte
« Antwort #3 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 11:28:20 »
ich bin damit auch mehr als unzufrieden, aber trotzdem gilt:

nulla poene sine lege

wobei die Definition des Europäischen Gerichtshofes, die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Strafe zu einzuornen, aus meiner Sicht fragwürdig ist. Hier geht es nicht um Strafe, sondern um Schutz. Zuallererst um den Schutz eines Menschen vor sich selbst, vor dem, was er in sich offenbar nicht steuern kann.
Diesen Schutz dieses Menschen vor sich selbst versagen die Richter den Betreffenden

Des einen Wohl, des anderen Weh...

Der Schutz der Allgemeinheit ist zwangsläufig eine Strafe für den Betroffenen.

Und ich danke dem deutschen Rechtsstaat dafür, dass er jeden ohne Ansehen der Person vor Strafe ohne Rechtsgrundlage schützt, eben auch den Wiederholungsstraftäter.

Es gab Zeiten in diesem Land, da wurden Menschen ohne Rechtsgrundlage eingesperrt. Das verletzte mein Rechtsempfinden!

Paul Schrader

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #4 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 11:59:00 »
ich bin damit auch mehr als unzufrieden, aber trotzdem gilt:

nulla poene sine lege

wobei die Definition des Europäischen Gerichtshofes, die nachträgliche Sicherungsverwahrung als Strafe zu einzuornen, aus meiner Sicht fragwürdig ist. Hier geht es nicht um Strafe, sondern um Schutz. Zuallererst um den Schutz eines Menschen vor sich selbst, vor dem, was er in sich offenbar nicht steuern kann.
Diesen Schutz dieses Menschen vor sich selbst versagen die Richter den Betreffenden

Des einen Wohl, des anderen Weh...

Der Schutz der Allgemeinheit ist zwangsläufig eine Strafe für den Betroffenen.

Und ich danke dem deutschen Rechtsstaat dafür, dass er jeden ohne Ansehen der Person vor Strafe ohne Rechtsgrundlage schützt, eben auch den Wiederholungsstraftäter.

Es gab Zeiten in diesem Land, da wurden Menschen ohne Rechtsgrundlage eingesperrt. Das verletzte mein Rechtsempfinden!

Das kann ich so unterschreiben. Volle Zustimmung!

Katja

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #5 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:04:38 »
Na ja - da gab es einen Schwerverbrecher, der so schlimme Taten begangen hat, daß er hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung mußte.
Ein ordentliches (deutsches) Gericht hat ihn dazu verdonnert.

Nun kommt eine anderes Gericht, das diese Rechtsprechung aufweicht - und sei es auch 'nur' in der Form, daß die Sicherheitsverwahrung aufgehoben wird.

Schmarni, es GAB also in der jüngeren Vergangenheit ein Urteil eines Staates, auf den wir jetzt stolz sein wollen/sollen, für dessen Gesetze wir dankbar sind/sein sollen.

Und kommst Du mit dieser 'wir-haben-ein-schweres-Los-durch-unsere-Vergangenheit-zu-tragen'-Geschichte!
Das ist aber nicht das Thema!

Es kotzt mich an, das ALLES mit der Vergangenheit, die kaum noch lebende Zeitzeugen hat, beeinflußt wird, wenn damit auch unser Recht demütigst vor imaginärer Kollektivschuld aufgeweicht wird.




Schmarni

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #6 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:14:17 »
Na ja - da gab es einen Schwerverbrecher, der so schlimme Taten begangen hat, daß er hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung mußte.
Ein ordentliches (deutsches) Gericht hat ihn dazu verdonnert.

Nun kommt eine anderes Gericht, das diese Rechtsprechung aufweicht - und sei es auch 'nur' in der Form, daß die Sicherheitsverwahrung aufgehoben wird.

Schmarni, es GAB also in der jüngeren Vergangenheit ein Urteil eines Staates, auf den wir jetzt stolz sein wollen/sollen, für dessen Gesetze wir dankbar sind/sein sollen.

Und kommst Du mit dieser 'wir-haben-ein-schweres-Los-durch-unsere-Vergangenheit-zu-tragen'-Geschichte!
Das ist aber nicht das Thema!

Es kotzt mich an, das ALLES mit der Vergangenheit, die kaum noch lebende Zeitzeugen hat, beeinflußt wird, wenn damit auch unser Recht demütigst vor imaginärer Kollektivschuld aufgeweicht wird.


Kann es sein, dass Du gerade ein paar Dinge vermischt??

Ich rede nicht von Kollektivschuld und solchen Themen, sondern ausschließlich von rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Stell Dir mal vor, dass bei Dir morgen früh (noch vor dem Aufwachen), die Tür eingetreten wird von uniformierten Menschen, die Dich mitnehmen und in ein Gefängnis bringen, aus dem Du die nächsten 10 Jahre nicht mehr entlassen wirst, mindestens! Und jetzt frag mal warum, Du bist Dir keiner Schuld bewußt. (Du darfst alternativ auch Kafka lesen ;) )

Du wirst Dein Schuldbewußtsein doch sicher an den geltenden Gesetzen festmachen wollen und nicht etwa an etwas, was Du nicht kennst, weil es erst später beschlossen wird.



Paul Schrader

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #7 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:18:56 »
Na ja - da gab es einen Schwerverbrecher, der so schlimme Taten begangen hat, daß er hinter Gitter mit anschließender Sicherheitsverwahrung mußte.
Ein ordentliches (deutsches) Gericht hat ihn dazu verdonnert.

Genau. Ein Gericht hat den Straftäter zu einer Haft mit anschließender 10-jähriger Sicherungsverwahrung verdonnert. Mehr nicht. Die 10 Jahre sind nun aber abgelaufen.

Inzwischen gibt es aber auch eine ungebrenzte Sicherungsverwahrung. Die kann aber ja nur angewendet werden, wenn der Straftäter neu verurteilt wird und dazu müsste er ja erstmal eine neue Straftat begehen. Klingt komisch, ist aber so.
« Letzte Änderung: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 18:45:49 von Paul Schrader »

Rizzi

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Re: Menschenrechte
« Antwort #8 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:28:32 »
Zitat
„Mit zunehmender Länge einer Online-Diskussion nähert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Vergleich mit Hitler oder den Nazis dem Wert Eins an.“

– Mike Godwin

DerDerbste

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #9 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:29:53 »
Zitat
Quirks Ausnahme
    Ein absichtliches Herbeirufen von Godwins Gesetz ist vergeblich bzw. ungültig.

Rizzi

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #10 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:40:33 »
Zitat
Quirks Ausnahme
    Ein absichtliches Herbeirufen von Godwins Gesetz ist vergeblich bzw. ungültig.

Schön bei Wikipedia abkopiert, so wie ich ?!?!   ;)

Katja

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #11 am: Mittwoch, 19. Mai 2010 - 12:57:09 »
Nee, Paul, sie KANN aufgehoben werden (so sagt es unser Gesetz) - sie muß aber nicht nach 10 Jahren automatisch enden!

Paul Schrader

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #12 am: Freitag, 21. Mai 2010 - 12:37:48 »
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes sollen nun 3 Schwerkriminelle freikommen, die eigentlich nach Verbüßung ihrer Strafe in Sicherheitsverwahrung bleiben sollten. Nachzulesen HIER

Wo bleiben also die Menschenrechte derer, die sich dann in Gefahr befinden, wenn diese Männer freikommen?

Mein Rechtsempfinden ist (wieder einmal) stark irritiert. Vielleicht kann jemand von Euch dafür eine Erklärung finden?

Ist Dein Rechtsempfinden nach dem Studium dieses Artikels über eine Entscheidung des BVerfG von gestern wieder gerade gerückt? :)

Katja

  • Gast
Re: Menschenrechte
« Antwort #13 am: Freitag, 21. Mai 2010 - 15:11:57 »
Ja, ja, ja  :D

Na bitte - geht doch - und warum mußte ich mich erst aufregen?


Offline Slartibartfass

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Re: Menschenrechte
« Antwort #14 am: Mittwoch, 26. Januar 2011 - 11:21:15 »
Hm 6,5 Jahre Haft + anschließende Sicherheitsverwahrung für einen Marihuanahändler.
Heftig, heftig.

In der nächsten Instanz wird das Urteil hoffentlich revidiert...
Es wird nie so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.