Autor Thema: Festbetrag  (Gelesen 2009 mal)

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Katja

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Festbetrag
« am: Montag, 15. März 2010 - 11:43:48 »
Es ist unglaublich, was derzeit unter diesem harmlosen Begriff in der Gesundheitspolitik läuft - und vor allem, wie es sich auf Einzelschicksale auswirkt.

Was der Begriff Festbetrag theoretisch bedeutet, könnt Ihr nachlesen.
Was es praktisch bedeutet, erzählt folgende Geschichte:


Eine Angstpatientin ist auf das Medikament 'Invega' eingestellt, und es geht ihr damit so gut, daß sie ihren Lebensunterhalt trotz ihrer Beschwerden erarbeiten kann. Nun soll sie auf ein preiswerteres Medikament gesetzt werden, weil Invega zu teuer ist.
Diese Mittel hat sie aber bereits alle durch, viele davon hatten fiese Nebenwirkungen; ein ärztliches Attest bescheinigt ihr ausdrücklich, daß mit dem erneuten Wechsel des Präparates Rückschritte in ihrer Behandlung zu erwarten sind. Somit wird sie ihr Arbeitsfähigkeit und damit den Job verlieren, von der Lebensqualität ganz zu schweigen.

Sie KÖNNTE nun die Differenz zu dem preiswerteren Mittel dazu bezahlen und das Invega weiterhin bekommen - allerdings kann sie sich das nicht leisten, weil eine 8-Monatsration über 1150 Euro kostet und sie im Rahmen ihrer Beschäftigung so viel nicht verdient, um dann auch noch sämtliche Nebenkosten zu bestreiten.

Eine Klage wird Jahre dauern, ist aber bereits in Arbeit - und was macht die Frau nun in der Zwischenzeit?
Eine Betreuerin sammelt nun privat Geld, um ihr die nächsten Monate zu helfen und die Medikation sicher zu stellen.

Wer kann, der mag bitte mithelfen - Anfragen gerne per kn an mich!

Und ansonsten bleibt uns wohl nur zu hoffen, daß wir nie mit einem 'Festbetrag' in Kontakt kommen, wenn es um unsere Gesundheit geht!

So eine Sauerei...

breughel

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Re: Festbetrag
« Antwort #1 am: Montag, 15. März 2010 - 11:58:23 »
Das genannte Medikament gehört zu den atypischen Neuroleptika und ist keineswegs unproblematisch.
Patienten reagieren sehr individuell auf Psychopharmaka und der Placeboeffekt ist zweifellos oft bedeutender als der pharmakologische Effekt.
Viele Patienten behaupten, nur auf eine bestimmtes Medikament positiv zu reagieren, was auch gerne von den Herstellern betont wird.
Wichtig ist das Verhältnis von Arzt und Patient und das ist leider sehr häufig völlig auf den Hund gekommen durch Verwaltungsaufwand und Pauschalen.
Aber schon Alexander Mitscherlich beklagte diese Zustände und verwies auch auf die Ärzte, die lediglich organisch ausgerichtet denken und oft die Beziehung zum Patienten auf "die Krankheit" beschränken.
Das System hat sich zu mehr Apparaten und mehr Pharma entwickelt und die Zahl der Patienten, die lediglich Reparatur wünschen bei Beibehalten ihres passiven und riskanten Lebensstils, ist groß.
Dazu gehört auch das starre Festhalten an Medikamenten und apparativen Behandlungen.
Da ist noch viel Einsparungsmöglichkeit.

Offline ToRü | ToРуз

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Re: Festbetrag
« Antwort #2 am: Montag, 15. März 2010 - 12:30:29 »
Sehr schwieriges Thema, wie ich finde.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat das genannte Medikament in die Festbetragsliste aufgenommen und damit das Problem geschaffen.

Für Deine Bekannte ist es damit fast unmöglich, dagegen überhaupt anzugehen. Eine entsprechende Initiative dauert sicher Jahre.

Du schreibst einen Preis für die 8-Monatsdosis; wie hoch ist denn der Unterschiedsbetrag zum preiswerteren Medikament?

INVEGA scheint auch eine gewisse Alleinstellung zu haben; zumindest, wenn man nach dem Preis geht.
Habe da eben 637 EUR für 98 Tabletten gesehen - ganz schön happig.

Generell jedoch ist festzustellen, daß uns die Gesundheitskosten davonlaufen. Speziell die Pharmaindustrie greift den Patienten da ganz schön ab und dies muss einfach verhindert werden.
In Deutschland zahlen wir die höchsten Medikamentenpreise Europas...
Und oftmals werden halt "neue" Medikamente mit zweifelhaftem Zusatznutzen jedoch unzweifelhaftem Preisaufschlag von der Pharmaindistrie angeboten.

Persönlich frage ich meinen Arzt immer, ob es günstigere Generika mit gleicher Wirkung gibt.

Das hilft Deiner Bekannten jedoch nicht; schon mal geprüft, ob das Medikament im Ausland günstiger zu haben ist?
Respektiere jede Meinung. Gefallen muss sie mir ja nicht. Und das sag ich dann auch.
Toleranz und Moral ist immer die Toleranz und Moral der anderen.

Katja

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Re: Festbetrag
« Antwort #3 am: Montag, 15. März 2010 - 12:42:16 »
Natürlich ist Sparsamkeit eine Tugend, breughel - und es SOLL ja auch gespart werden, wo es sinnvoll ist.
Ob es allerdings sinnvoll ist, einem Menschen ein verträgliches, wirksames Medikament (oder andere Hilfe) zu verweigern, weil es teuer ist, das halte ich für äußerst fragwürdig! Somit sind wir bei einer offensichtlichen 2-Klassen-Medizin...


Groundstar, das war nur ein Beispiel, was passieren KANN - wir verlassen uns auf die Hilfe, die wir dann bekommen, wenn wir sie brauchen.
Warum soll man aus dem Ausland Medikamente beziehen, wenn wir sie hier auch bekommen (ist aber geprüft - genauso teuer!) - es kann doch nicht richtig sein, daß der Patient sich um diese Dinge kümmern muß - hier sind die Gesundheitsbehörden gefragt!
Ein bißchen halbherzig legt man der Pharmaindustrie auf, auf 85% ihrer Marge zu verzichten - und was, wenn sie es nicht tun? NIX!

98 Tabletten bedeuten 3 Monate Leben - ohne Angst und Zwänge MIT Lebensqualität. Ist das zuviel?





Offline ToRü | ToРуз

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Re: Festbetrag
« Antwort #4 am: Montag, 15. März 2010 - 12:50:57 »
Warum soll man aus dem Ausland Medikamente beziehen, wenn wir sie hier auch bekommen ...

Weil sie da eben guenstiger sein können. In den Niederlanden bekomme ich z.B. Aspirin für fast das halbe Geld, das ich hier bezahlen muss - vom gleichen Hersteller!


Zitat

98 Tabletten bedeuten 3 Monate Leben - ohne Angst und Zwänge MIT Lebensqualität. Ist das zuviel?


Ok, da mache ich mich nun sicher nicht gerade beliebter:

Gegenfrage: Was ist mir persönlich 3 Monate ohne Angst und Zwänge MIT Lebensqualität wert?

Damit wir das nicht in den falschen Hals bekommen: Psychische Erkrankungen sind ganz schlimm und keiner kann etwas dafür, wenn er davon betroffen ist. Aber wenn das System etwas nicht leisten kann, muss ich doch sehen, was ich leisten kann um meine persönliche Situation halten oder verbessern zu können.

Klar hat das bei finanziellen Dingen seine Grenzen.

Aber nochmal: Wie hoch wäre denn der Unterschiedsbetrag (dann wissen wir doch, von wieviel Geld wir hier reden und es ermöglicht ja eventuell eine Lösungsfindung.)
Respektiere jede Meinung. Gefallen muss sie mir ja nicht. Und das sag ich dann auch.
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Albrecht

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Re: Festbetrag
« Antwort #5 am: Montag, 15. März 2010 - 13:05:31 »
Aber nochmal: Wie hoch wäre denn der Unterschiedsbetrag

eine 8-Monatsration über 1150 Euro
431,25 Euro für 3 Monate!

Katja

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Re: Festbetrag
« Antwort #6 am: Montag, 15. März 2010 - 13:20:19 »

Weil sie da eben guenstiger sein können. In den Niederlanden bekomme ich z.B. Aspirin für fast das halbe Geld, das ich hier bezahlen muss - vom gleichen Hersteller!


Wenn ich Aspirin in den Niederlanden für 2 statt für 3 Euro hier kaufe, die Versandkosten noch dazu rechne, bin ich kein Sparfuchs, sondern blöd.
Niemand kauft sein Aspirin wirklich im Ausland - es sei denn, er ist sowieso dort!

Hierbei geht es auch nicht um ein Mittel, welches man vielleicht mal braucht - was man sich auf Halde legt/legen kann!

Es geht auch nicht darum, daß man Verständnis für eine Erkrankung aufbringt oder nicht, sondern darum, daß ein ARZT es verschreiben möchte, es aber nicht kann, weil die Krankenkassen sich querstellen und auf ein preiswertes Präparat ausweichen will, das nicht vertragen wird. Punkt!

Tausche die Erkrankung aus, nimm' statt Angstzustände Krebs oder ähnliches - wäre DAS dann okay?

Bei dem Festbetrag entscheiden Blinde über eine Farbe! Nur weil der Inhaltstoff identisch ist, sind es die Zusatzstoffe nicht auch - aber die Wirkung (Nebenwirkung) kann eine andere sein.
Dafür gibt es Pharmakologen/Toxikologen, die nicht zwingend bei KKn arbeiten und entscheiden KÖNNEN, ob Mittel A und Mittel B identisch sind. Hier entscheidet der Preis - und das darf m.M.n. nicht sein!


Offline ToRü | ToРуз

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Re: Festbetrag
« Antwort #7 am: Montag, 15. März 2010 - 15:13:23 »

Weil sie da eben guenstiger sein können. In den Niederlanden bekomme ich z.B. Aspirin für fast das halbe Geld, das ich hier bezahlen muss - vom gleichen Hersteller!


Wenn ich Aspirin in den Niederlanden für 2 statt für 3 Euro hier kaufe, die Versandkosten noch dazu rechne, bin ich kein Sparfuchs, sondern blöd.
Niemand kauft sein Aspirin wirklich im Ausland - es sei denn, er ist sowieso dort!

Hierbei geht es auch nicht um ein Mittel, welches man vielleicht mal braucht - was man sich auf Halde legt/legen kann!

Es geht auch nicht darum, daß man Verständnis für eine Erkrankung aufbringt oder nicht, sondern darum, daß ein ARZT es verschreiben möchte, es aber nicht kann, weil die Krankenkassen sich querstellen und auf ein preiswertes Präparat ausweichen will, das nicht vertragen wird. Punkt!

Tausche die Erkrankung aus, nimm' statt Angstzustände Krebs oder ähnliches - wäre DAS dann okay?

Bei dem Festbetrag entscheiden Blinde über eine Farbe! Nur weil der Inhaltstoff identisch ist, sind es die Zusatzstoffe nicht auch - aber die Wirkung (Nebenwirkung) kann eine andere sein.
Dafür gibt es Pharmakologen/Toxikologen, die nicht zwingend bei KKn arbeiten und entscheiden KÖNNEN, ob Mittel A und Mittel B identisch sind. Hier entscheidet der Preis - und das darf m.M.n. nicht sein!



Die Art der Erkrankung ist bei dem Thema unerheblich - alles schlimme Erkrankungen, da gibt es keine 2 Meinungen!

Die Qualität meiner Aussage liegt nicht in der Tatsache, daß man Versandkosten etc. hinzurechnen muss - da gebe ich Dir ja uneingeschränkt Recht; allerdings kann sich das bei teureren Medikamenten trotzdem rechnen.
Und die Qualität ist: Warum kostet bei uns ein Medikament (Steuerbereinigt) deutlich mehr als im Ausland.

Der G-BA ist aber nicht ganz sooo blind besetzt:

Quelle: Wikipedia:

"Im Ausschuss wirken Kostenträger (vertreten durch die Spitzenverbände der Krankenkassen; ab 2008 Spitzenverband Bund der Krankenkassen, jetzt GKV-Spitzenverband genannt) und Leistungserbringer (vertreten durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft) zusammen. Ferner gibt es drei unparteiische Mitglieder, von denen einer Vorsitzender des Ausschusses ist. Auch Patientenvertreter nehmen im Ausschuss mit beratender Stimme teil; diese werden vom Deutschen Behindertenrat, der BundesArbeitsGemeinschaft der PatientInnenstellen, der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband benannt."

Ich verstehe das Dilemma - aber eine schnelle Lösung ist da wohl leider nicht in Sicht. Daher mein Ansatz, ob man das Medikament nicht auf anderem Wege günstiger beschaffen kann. das klappt aber nicht immer.  :(
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