Autor Thema: Hinrichtung im Irak  (Gelesen 4835 mal)

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ae8090

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #15 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 16:25:25 »
Ich bin aus grundsätzlichen ethischen Überlegungen heraus gegen die Todesstrafe.

Und trotzdem würde ich keine Petition von ai gegen die Hinrichtung von Chemie-Ali unterschreiben.

Wer will, mag mich inkonsequent schimpfen. Damit muss ich leben. Ja, diese Inkonsequenz ist Teil meiner Person, macht mich aus, gehört zu mir.

Ich kann an vielen Stellen in unserem Rechtssystem Fragezeichen machen, aber dass das Grundgesetz* die Todesstrafe kategorisch ablehnt, halte ich für 100%ig korrekt. Allerdings ist es das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Es gilt in Deutschland. Ich kann mir vorstellen, dass ich zu anderen Zeiten und an anderen Orten, in anderen Bezügen unter anderen Voraussetzungen zu einem anderen Schluss komme. So halte ich auch in der Retrospektive die Todesurteile für zahlreiche Nazigrößen in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen und deren anschließende Hinrichtung für durchaus richtig.

Auch der Tyrannenmord kann aus meiner Sicht ethisch gerechtfertigt sein.

Darum ist es vielleicht doch nicht so inkonsequent, wenn ich für deutschland zwar die Todesstrafe ablehne, die Hinrichtung von Chemie-Ali aber trotzdem nicht verurteile.



* Nicht allerdings sämtliche Landesverfassungen; zum Glück gilt hier: Bundesrecht bricht Landesrecht

Offline ToRü | ToРуз

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #16 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 16:47:30 »
Ich empfehle folgende Erörterung zjm Thema, von ai:

http://www.amnesty.de/umleitung/2004/deu07/047?lang=de%26mimetype%3dtext%2fhtml

Und noch 2, wie ich finde, passende Zitate:

"Viele, die leben, verdienen den Tod, und einige, die sterben, verdienen das Leben. Kannst du es ihnen geben? Dann sei auch mit einem Todesurteil nicht so schnell bei der Hand." - J. R. R. Tolkien, "Der Herr Der Ringe", Band 1

"Von keinem Nutzen ist die Todesstrafe, da sie den Menschen ein Grausamkeitsbeispiel gibt." - Cesare Beccaria aus Dei delitti e delle pene

Selbst die Bibel ist da indifferent:

 "Ihr wisst, dass es heißt: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Verzichtet auf Gegenwehr, wenn euch jemand Böses tut!" - Das Neue Testament, Matthäus 5,38-39 (Bergpredigt)

"Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein." - Das Neue Testament, Johannes 8,7

Und dann wird es in der Bibel schwierig:

"Wer einem Vieh beiwohnt, der soll des Todes sterben." - Exodus 22,18 LUT

"Wer einen Menschen schlägt, dass er stirbt, der soll des Todes sterben." - Exodus 21,12 LUT

"Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn Gott hat den Menschen zu seinem Bilde gemacht." - Genesis 9,6 LUT

"Wer Vater oder Mutter flucht, der soll des Todes sterben." - Exodus 21,17 EU; Levitikus 20,9 LUT

"Wer Vater oder Mutter schlägt, der soll des Todes sterben." - Exodus 21,15 LUT
« Letzte Änderung: Dienstag, 26. Januar 2010 - 16:53:08 von groundstar »
Respektiere jede Meinung. Gefallen muss sie mir ja nicht. Und das sag ich dann auch.
Toleranz und Moral ist immer die Toleranz und Moral der anderen.

Blubb

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #17 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 17:31:01 »

Nun, Straftat ist Straftat. Wenn man sich mit manchen Morden auseinandersetzt kann man bis zum gewissen Grad die Täter verstehen. Dennoch lehne ich Mord kategorisch ab.

Rechtsgut ist aber nicht gleich Rechtsgut. Und das menschliche Leben ist von jenen das höchste. Es ist mMn nicht disponibel. Und gerade der Staat muss dieses Rechtsgut um jeden Preis wahren. Ist der Staat der einen Menschen, der des Mordes für schuldig befunden wurde, zum Tode verurteilt, denn besser als dieser Mörder? Nein, denn durch die Todesstrafe macht sich der Staat eben auch zum Mörder. Durch die Todesstrafe werden zwei Kategorien von Menschen geschaffen. Menschen, die es verdient haben zu leben und Menschen, denen ein solches Recht genommen wird. Ist das etwa gerecht? Entspricht dies einem wünschenswerten Bild einer freien Gesellschaft?
Vielleicht mögen Rachegelüste und Hass nachvollziehbar sein, aber der diesen Gefühlen nachgebende Akt ist das schon nicht mehr.
Deswegen können wir alle froh sein, dass wir in einem Land leben, das diese Grundsätze auch um jeden Preis zu retten versucht.

Die NS-Kriegsverbrecher-Prozesse die ae8090 ansprach sind ein gutes Beispiel. Dort wurden - vollkommen Zu Recht - die größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte angeklagt (Die Einrichtung solcher Tribunale ist heutzutage auch nicht ganz kritiklos hinzunehmen. Es wird aber herrschend - und wohl auch richtigerweise - angenommen, dass die Einrichtung dieser Tribunale in Ordnung ist). Warum aber ist die Todesstrafe für Julius Streicher oder Joachim von Ribbentropp gerechtfertigt, aber für Albert Speer, Baldur Schirach oder gar Rudolf Heß nicht? Waren die Letztgenannten jetzt weniger menschenverachtend, als die Erstgenannten? Ohne Frage gehörten diese Leute auf eine Anklagebank vor der gesamten Welt und sie gehörten auch verurteilt. Aber nach welchem Ermessen ist auch hier der Tod eine gerechte Strafe? Ich weiß, dass - vor diesem Hintergrund - dies gerade eine hochgradig sensible Frage ist, weil man leicht in Gefahr seine innersten Überzeugungen preiszugeben. Eine richtige Antwort wird sich wohl auch nicht finden lassen.

ae8090

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #18 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 17:46:31 »
War es Unrecht, was Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer getan haben? Juristisch ganz sicherlich, ohne Zweifel.

Und trotzdem haben sie richtig gehandelt und ich kann ihr Tun nicht verwerflich finden.

Versuche des Tyrannenmordes hat es auch in der DDR gegeben (viel zu unbekannt und unbeachet). Auch daran kann ich nichts verwerfliches finden.

ae8090

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #19 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 17:52:11 »

Nun, Straftat ist Straftat. Wenn man sich mit manchen Morden auseinandersetzt kann man bis zum gewissen Grad die Täter verstehen. Dennoch lehne ich Mord kategorisch ab.

... Und das menschliche Leben ist von jenen das höchste.
...

Aber hier hat doch auch das bundesdeutsche Recht (ich meine bis 1998) Unterschiede gemacht: Die Kindstötung unmittelbar unter oder nach der Geburt durch die Mutter war mit einer minder schweren Strafe bewehrt, als jedes andere Tötungsdelikt. Habe ich das richtig in Erinnerung, blubb?

Offline ToRü | ToРуз

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #20 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 17:52:50 »
War es Unrecht, was Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Mitverschwörer getan haben? Juristisch ganz sicherlich, ohne Zweifel.

Und trotzdem haben sie richtig gehandelt und ich kann ihr Tun nicht verwerflich finden.

Versuche des Tyrannenmordes hat es auch in der DDR gegeben (viel zu unbekannt und unbeachet). Auch daran kann ich nichts verwerfliches finden.

Und da wird es noch komplizierter:

Aus unserem heutigen Rechtsstaatsverständnis war das, was Wiederstandskämpfer im z.B. 3. Reich taten Richtig.
Damals jedoch war es eben Unrecht.

In der DDR das selbe: Der schießende Grenzsoldat hat aus seinem damaligen Rechtsverständnis heraus richtig gehandelt; heute sehen wir das anders.

Wie so oft im Leben: Eine Sache der der Perspektive und dann ist amn im Nachhinein immer schlauer.

Was, wenn sich unser System ändert und alles, was wir heute so machen wird als Unrecht gesehen und wir müssten entsprechend uns in einem neuen System dafür verantworten? Wer bestimmt also, was recht und was Unrecht ist?

Eine nahezu philosophische Frage...
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Blubb

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #21 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 17:57:00 »
In diesen Fällen könnte man argumentieren, dass es sich dort, aufgrund des von den diktatorischen Systemen ausgeübten massiven Unrechts, um eine Art Notstand für das gesamte Volk gehandelt hat, also ähnlich der Situation, die das Grundgesetz in Art. 20 Abs. 4 beschreibt.

Blubb

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #22 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 18:02:04 »

Nun, Straftat ist Straftat. Wenn man sich mit manchen Morden auseinandersetzt kann man bis zum gewissen Grad die Täter verstehen. Dennoch lehne ich Mord kategorisch ab.

... Und das menschliche Leben ist von jenen das höchste.
...

Aber hier hat doch auch das bundesdeutsche Recht (ich meine bis 1998) Unterschiede gemacht: Die Kindstötung unmittelbar unter oder nach der Geburt durch die Mutter war mit einer minder schweren Strafe bewehrt, als jedes andere Tötungsdelikt. Habe ich das richtig in Erinnerung, blubb?

Uff. da musste ich gerade mal selber in unser aller Lieblingslexikon nachgucken, weil ich selbst keine Ahnung hatte. Dort steht: Die Privilegierung [der vergleichsweise geringen Strafandrohung von mindestens drei Jahren] ergab sich aus der psychischen Zwangslage der Mutter, ein Kind unter den Umständen der Nichtehelichkeit zu gebären oder geboren zu haben. Durch die gesellschaftliche Entwicklung, die inzwischen die Nichtehelichkeit (früher: Unehelichkeit) von Kindern als gewöhnlich akzeptiert, ist der Tatbestand obsolet geworden. Inzwischen wird die Kindestötung dem minder schweren Fall eines Totschlags gleichgesetzt.

Dem kann ich jetzt so nichts hinzufügen, weil ich davon wirklich keine Ahnung habe.

swetlana

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #23 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 18:37:13 »
Meines Erachtens nach hat kein Mensch das Recht, einem anderen das Leben zu nehmen. Auch nicht, wenn derjenige sich unzähliger Verbrechen schuldig gemacht hat und das Leben anderer Menschen nicht respektiert.

Aber was tue ich, wenn mein eigenes Leben bedroht ist? Wenn es heißt: Er oder ich - ich würde auch zum Mörder werden. Ok, ist Notwehr.

Auch kann ich mir gut vorstellen, dass ich demjenigen, der sich an meiner Enkelin vergreift, höchstpersönlich die Eier abschneiden würde.

Angehörige der Kurden, die Ali Hassan al-Madschid auf dem Gewissen hat, werden Genugtuung empfinden, dass der Mann mit dem Tode bestraft wurde.
Man könnte durchaus auch so argumentieren: Wenn ich jemanden töte, muss ich damit rechnen, dass ich auch selbst dran glauben muss.

Wie sagte Ghandi? Auge um Auge, daran erblindet die Welt.

Der Mensch wird von Emotionen gesteuert - leider oder auch Gott sei Dank. Deswegen kann man bei diesem Thema nicht nur mit Paragraphen rumwedeln. (Sorry Blubb, nichts gegen deinen Sachverstand!)

Trotzdem gibt es von mir - hier gebe ich meinem Ratio den Zuschlag - eine klare Absage an die Todesstrafe. Und zwar ohne Ausnahme überall auf der Welt. Denn ohne Ächtung gibt man diktatorischen Staaten wie z. B. China ein indirektes OK, wenn sie mal wieder Regimegegner zum Tode verurteilen.

swetlana

Blubb

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #24 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 18:43:58 »
Der Mensch wird von Emotionen gesteuert - leider oder auch Gott sei Dank. Deswegen kann man bei diesem Thema nicht nur mit Paragraphen rumwedeln. (Sorry Blubb, nichts gegen deinen Sachverstand!)


Der Mensch wird von Emotionen gesteuert und damit wären wir auch wieder in diesem Thread. Deswegen können sich solche Dinge in einem Strafurteil in gewisser Gewichtung auch wiederfinden. Das heißt jetzt nicht, dass ich Verständnis für den Akt der Selbstjustiz aufbringe. Es werden eben Dinge berücksichtigt, die zur Tat führten.
« Letzte Änderung: Dienstag, 26. Januar 2010 - 18:46:47 von Blubb »

ae8090

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Re: Hinrichtung im Irak
« Antwort #25 am: Dienstag, 26. Januar 2010 - 21:14:38 »
OT:

Nun, Straftat ist Straftat. Wenn man sich mit manchen Morden auseinandersetzt kann man bis zum gewissen Grad die Täter verstehen. Dennoch lehne ich Mord kategorisch ab.

... Und das menschliche Leben ist von jenen das höchste.
...

Aber hier hat doch auch das bundesdeutsche Recht (ich meine bis 1998) Unterschiede gemacht: Die Kindstötung unmittelbar unter oder nach der Geburt durch die Mutter war mit einer minder schweren Strafe bewehrt, als jedes andere Tötungsdelikt. Habe ich das richtig in Erinnerung, blubb?

Uff. da musste ich gerade mal selber in unser aller Lieblingslexikon nachgucken, weil ich selbst keine Ahnung hatte.
...

Tschaka!!!
Jetzt hab' ich ihn doch einmal erwischt!!!
 ;)